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Tonnenschwere Spielbälle einer Monsterwelle

Astronomie|Physik Erde|Umwelt

Tonnenschwere Spielbälle einer Monsterwelle
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Einer der weggespülten Felsblöcke (Foto: Ricardo Ramalho)
Sie erregten weltweit schockiertes Staunen – doch die verheerenden Riesenwellen, die Japan und die Küsten des Indischen Ozeans trafen, waren Zwerge im Vergleich zu dem Mega-Tsunami, über den Forscher nun berichten: Ihren Untersuchungen zufolge spülte vor etwa 73.000 Jahren eine rund 240 Meter hohe Wasserwand tonnenschwere Küsten-Felsbrocken ins Landesinnere der Kapverdischen Inseln. Der Kollaps einer Vulkan-Flanke hatte diese gigantische Welle verursacht – eine Tsunami-Version, mit der man deshalb rechnen sollte, sagen die Forscher.

Die rund 30 Meter hohen Wellen, die 2004 die Anrainerstaaten des Indischen Ozeans und 2011 die Küste Japans heimsuchten, hatten Verschiebungen des Meeresbodens im Rahmen von Erdbeben losgeschlagen. Doch auch Erdrutsche können Tsunamis auslösen, belegen Beispiele. Sie können in engen Bereichen wie in Buchten oder Fjorden enorme Ausmaße erreichen. Auch die höchste jemals nachgewiesene Welle entstand auf diese Weise: 1958 schubste ein Erdbeben schlagartig 90 Millionen Tonnen Gestein in eine Bucht in Alaska und erzeugte damit in dem engen Bereich eine Welle mit einer Scheitelhöhe von rund 500 Metern.

Über längere Strecken verlieren Wellen dieser Art jedoch schnell ihre Schlagkraft, weshalb man ihr Bedrohungspotenzial deutlich geringer einschätzt als von Tsunamis, die durch großflächige Bewegungen des Meeresbodens verursacht werden. Uneins sind sich Geologen hingegen über die möglichen Auswirkungen von abrutschenden Flanken großer Vulkane. Einige gehen davon aus, dass diese Prozesse zu langsam verlaufen, um große Tsunamis auszulösen. Die aktuellen Ergebnisse der Forscher um Ricardo Ramalho von der Columbia University in New York belegen nun, dass das offenbar nicht immer der Fall ist.

Weggespülte Felsbrocken

Basis der Studie bilden Untersuchungen von seltsamen Felsblöcken, die sich etwa 600 Meter von der Küste der Insel Santiago entfernt und in einer Höhe von knapp 200 Metern über dem Meeresspiegel befinden. Die bis zu 770 Tonnen schweren Brocken besitzen völlig andere Merkmale als das umliegende Gestein, zeigen Analysen. Sie bestehen aus Material, wie es für den Küstenstreifen typisch ist – es fanden sich sogar noch Spuren von Muschelschalen in ihnen. Den Forschern zufolge ist die einzig plausible Erklärung, dass einst die Wucht einer gigantischen Welle die Felsbrocken an der Küste losgerissen und bis auf das Plateau gespült hat. Anhand der Masse der Blöcke stellten die Forscher Berechnungen an, welches Ausmaß eine Welle gehabt haben muss, um diese Energie aufzubringen. Sie kamen zu dem Ergebnis: ein rund 240 Meter großes Monster hat den tonnenschweren Brocken den entsprechenden Schub verpasst.

Was diese Welle ausgelöst haben könnte, scheint auf der Hand zu liegen: Rund 50 Kilometer von der betroffenen Küste entfernt befindet sich die Vulkaninsel Fogo. Hier erhebt sich ein 2800 Meter hoher Vulkan, der durchschnittlich alle 20 Jahre ausbricht. An seiner Form ist klar zu erkennen, dass einst eine seiner Seiten ins Meer abgesackt ist. Früheren Datierungen zufolge geschah dieser Verlust in einem Zeitfenster von vor 124.000 bis 65.000 Jahren.

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Die Flanke das Fogo rutschte offenbar fatal schnell

Dazu passen nun die neuen Datierungen von Ramalho und seinen Kollegen. Durch bestimmte Nachweisverfahren ist es möglich zu bestimmen, wann Gestein erstmals den Strahlungsbedingung der Umwelt ausgesetzt war. Im Fall der Felsbrocken ergab diese Datiereungsmethode ein Alter von 73.000 Jahren. Den Forschern zufolge ist also davon auszugehen, dass der Kollaps der Flanke des Fogo-Vulkans die gigantische Welle ausgelöst hat, die über Santiago hereinbrach. Damals waren von dieser Katastrophe noch keine Menschen betroffen. Heutzutage ist die Insel das Zentrum des Staates Kap Verde vor der Westküste Afrikas und Heimat von etwa 250.000 Menschen.

„Das Ergebnis belegt, dass Flankenzusammenbrüche von Vulkanen extrem schnell und katastrophal geschehen können, und daher in der Lage sind, Riesen-Tsunamis auszulösen“, sagt Ramalho. „Solche Ereignisse kommen wahrscheinlich nicht oft vor, aber wir müssen sie berücksichtigen, wenn wir uns mit dem Gefahrenpotenzial von Vulkanen im Meeresbereich beschäftigen“, so der Geologe. Beispielsweise sind ähnliche Geschehnisse wie einst im Fall der Kapverdischen Inseln auch bei den Kanarischen Inseln möglich.

Quellen:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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