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Homosexualität im Spiegel der Epigenetik

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Homosexualität im Spiegel der Epigenetik
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Credit: imago stock&people
Manche fühlen sich eben zum gleichen Geschlecht hingezogen – Homosexualität ist eine Facette menschlichen Sexualverhaltens, die auch das Interesse der Wissenschaft weckt: Wie entsteht die gleichgeschlechtliche Orientierung? Studien legen bereits nahe, dass dabei Schaltersysteme im Erbgut – sogenannte epigenetische Faktoren eine Rolle spielen. Dies bestätigen nun US-Forscher: An bestimmten epigenetischen Mustern lässt sich die sexuelle Orientierung von Männern mit 70-prozentiger Genauigkeit erkennen, berichten sie auf einem Kongress.

Ein Homo-Gen gibt es offenbar nicht – das wird durch eine Tatsache deutlich: Es gibt eineiige – also genetisch gleiche Zwillingspaare, bei denen der eine homosexuell ist, der andere aber nicht. Dennoch kann die Orientierung durchaus im Erbmaterial verankert sein, wie die Forschung der letzten Jahre gezeigt hat: Die Merkmale eines Lebewesens beruhen nämlich nicht allein auf der Abfolge der DNA-Bausteine, sondern spezielle Kontrollsysteme beeinflussen das Erbgut ebenfalls maßgeblich. Diese sogenannten epigenetischen Faktoren basieren unter anderem auf chemischen Schalter-Molekülen (Methylgruppen), die auf der DNA sitzen und bestimmen, ob eine Erbanlage ein- oder ausgeschaltet vorliegt beziehungsweise wie aktiv sie ist. Diese genetischen Regelelemente werden teilweise über Generationen hinweg vererbt, entstehen aber auch im Laufe des Lebens.

Epigenetische Zwillingsstudie

In diesem Zusammenhang haben frühere Studien bereits Hinweise geliefert, dass die sexuelle Orientierung eines Menschen von bestimmten epigenetischen Faktoren geprägt ist, die während der Entwicklung im Mutterleib entstehen. Daran knüpft nun die Studie der Forscher um Tuck Ngun von der University of California in Los Angeles an. Sie untersuchten mittels gentechnischer Methoden die Methylierungsmuster der DNA von 37 eineiigen Zwillingspaaren, von denen jeweils ein Partner homosexuell war und der andere nicht. Außerdem führten sie die Analysen bei 10 Paaren durch, bei denen jeweils beide Zwillinge homosexuell waren. Da eineiige Zwillinge die gleiche Abfolge von DNA-Bausteinen besitzen, müssten sich durch Vergleiche der epigenetischen Faktoren Marker finden lassen, die mit der sexuellen Orientierung in Zusammengang stehen, so das Forschungskonzept.

„Die hohe Ähnlichkeit und die großen Datenmenge machten es schwierig, Unterschiede zwischen den Zwillingen zu identifizieren und festzustellen, welche bezüglich der sexuellen Orientierung relevant waren“, berichtet Ngun. Um dennoch Muster in den Daten aufzuspüren, entwickelten er und seine Kollegen eigens einen speziellen Algorithmus. Dieses Berechnungssystem deckte schließlich relevante Gemeinsamkeiten auf, berichten die Forscher: Sie fanden Methylierungsmuster in neun quer übers Genom verteilten  Bereichen, die eine Vorhersage über die sexuelle Orientierung mit einer Wahrscheinlichkeit von 70 Prozent zuließen. „Unseres Wissens nach ist dies das erste Beispiel für ein Vorhersagemodell zur sexuellen Orientierung auf der Basis molekularer Marker“, sagt Ngun. Es bleibt allerdings nach wie vor unklar, wie die DNA-Methylierung in den entdeckten Regionen Einfluss auf die sexuelle Orientierung nimmt. Diese Frage sollen nun weitere Untersuchungen klären. Die Forscher überprüfen derzeit außerdem die Genauigkeit ihres Algorithmus in einer breiteren Testgruppe von Männern.

Forschung mit gesellschaftlich, ethischer Dimension

Molekulare Marker „verraten“ sexuelle Neigungen – das riecht natürlich auch nach einem ethisch problematischen Homo-Test. Generell lehnen einige Homosexuelle auch jegliche Ursachenforschung ab, weil die gleichgeschlechtliche Orientierung dabei oft wie eine Krankheit wirkt, was zu einer Stigmatisierung der „Betroffenen“ führt. Der Blick auf das Thema müsse auf jeden Fall stets wertfrei bleiben, betonen sie. Dies scheint allerdings Tuck Ngun durchaus ebenfalls im Sinn zu haben: „Ich hoffe, dass diese Forschung uns hilft, uns selbst besser zu verstehen und warum wir so sind, wie wir sind“, sagt der Wissenschaftler.

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Quelle:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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