Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Reaktionen eines Superorganismus

Erde|Umwelt

Reaktionen eines Superorganismus
15-11-12 Ameisen.jpg
Ameisenkolonie in einem künstlichen Nest. Foto: Thomas O'Shea-Wheller
Ein Haufen wuselnder Winzlinge – doch von Chaos keine Spur: Raffinierte Regelsysteme machen die Tausenden Individuen eines Ameisenvolkes zu einer Einheit mit erstaunlicher Leistungsfähigkeit. Nun haben Forscher erneut dokumentiert, dass ein Ameisenvolk einen Superorganismus darstellt, der sich verhält, als besäße er eine Art Nervensystem: Die Gemeinschaft reagiert in sinnvoller Weise unterschiedlich auf Bedrohungen an verschiedenen Stellen des „Staatsgebiets“, zeigen die Experimente.

Bereits 1910 bezeichnete der US-amerikanische Biologe William Morton Wheeler Ameisenstaaten erstmals mit dem Begriff „Superorganismus“. Damit war gemeint, dass es sich bei einem Ameisenvolk gleichsam wie um ein Wesen handelt, dessen „Körper“ aus vielen Individuen besteht: Sie bilden eine reaktionsfähige Einheit, deren Fähigkeiten diejenigen einzelner Ameisen bei weitem übertreffen. Der Gemeinschaft wird in diesem Zusammenhang auch eine sogenannte kollektive Intelligenz zugesprochen, die sinnvolle Verhaltensweisen hervorbringt. Der Erforschung dieses spannenden Themas widmet sich bereits seit einiger Zeit ein Biologenteam an der Universität Bristol. Bei ihrer aktuellen Studie untersuchten sie, wie Ameisenvölker reagieren, wenn man ihnen Mitglieder an unterschiedlichen Stellen ihres Territoriums raubt. Dies simulierte die Bedrohung durch Räuber von außen beziehungsweise im Inneren des Nests.

Räuberische Experimente

Bei den Versuchsvölkern der Forscher handelte es sich um Ameisen der Art Temnothorax albipennis, die in künstlichen Nestern aus Plexiglas gehalten wurden. In einem Versuchsansatz entfernten die Forscher bei einigen Versuchsvölkern Ameisen, die sich auf Erkundungsgang in den Außenbereichen des Kolonie-Reviers befanden. Bei der zweiten Variante raubten sie den Völkern hingegen Mitglieder, die sich im Zentrum des Nestes befanden. Bei beiden Versuchsansätzen dokumentierten die Forscher akribisch, wie sich das jeweilige Volk anschließend verhielt.

Es zeigte sich: Die Völker, denen die Biologen die Kundschafter klauten, reagierten mit dem Kommando „Rückzug“: Die Außen-Bataillone kehrten ins Nest zurück. Richteten sich die Attacken der Forscher hingegen gegen Ameisen, die sich im Zentrum des Nestes aufhielten, zeigten die Völker eine ganz andere Reaktion: Sie packten zusammen und machten sich auf die Suche nach einer neuen Behausung. Den Forschern zufolge reagieren die Völker in beiden Fällen sinnvoll und wie ein Gesamtorganismus. Bei dem ersten Versuchsansatz ist es eine Reaktion, wie wenn man sich mit der Hand verbrennt – sie wird zurückgezogen. Stimmt hingegen in der Wohnung irgendetwas nicht, das sich nicht beheben lässt, ist umziehen angesagt.

Parallelen zu einem Nervensystem

“Ameisen reagieren sehr unterschiedlich und koordiniert, je nachdem wo räuberische Angriffe stattfinden“, resümiert Thomas O’Shea-Wheller von der Universität Bristol das Ergebnis. So wie wir Zellschäden als Schmerz an bestimmten Stellen wahrnehmen, reagieren Ameisenkolonien auf den Verlust von Individuen über Gruppenbewusstsein und reagieren dann“, erklärt der Biologe. “Dies bildet somit eine spannende Parallele zum Nervensystem von Einzelorganismen.“. Grundlage dieser Fähigkeit sind ausgefeilte Kommunikationssysteme zwischen den Individuen, die maßgeblich auf chemischen Substanzen beruhen. Wie genau die Insekten die entsprechenden Informationen untereinander kommunizieren, bleibt weiterhin eine spannende Frage der Biologie.

Anzeige

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Mas|sen|psy|cho|lo|gie  〈f. 19; unz.〉 Zweig der Psychologie, der sich mit dem Verhalten der Menschen als ungegliederter Masse u. der Beeinflussung des Einzelnen durch diese Masse beschäftigt

Ma|gie  〈f. 19; unz.〉 1 Beschwörung von geheimnisvollen Kräften, Zauberkunst, Zauberei, Hexerei 2 übersinnlich wirkende Kraft, geheimnisvolle Anziehungskraft … mehr

Sa|git|tal|ebe|ne  〈f. 19〉 1 〈Anat.〉 1.1 〈i. w. S.〉 parallel zur Mittelachse durch den Körper gelegte Ebene  1.2 〈i. e. S.〉 der Pfeilnaht des Schädels parallele Ebene … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige