Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Aus Schaum geboren

Erde|Umwelt

Aus Schaum geboren
Vulkane unter Wasser geben Forschern Rätsel auf. Manche blubbern wie eine Lavalampe, andere legen ein erstaunliches Wachstum an den Tag.

Die Matrosen auf dem neuseeländi-schen Marineschiff HMNZS Canterbury trauten ihren Augen kaum. Als sie im August 2012 etwa 1000 Seemeilen nordwestlich von Neuseeland unterwegs waren, kam ihnen plötzlich mitten im Pazifik ein „Strand” entgegen. Die seltsame graubraune Fläche schwappte langsam im Takt der Wellen auf und ab.

Die HMNZS Canterbury war an einen Bimsstein-Teppich geraten. Satellitenbilder zeigten später, dass das schwimmende Vulkangestein eine Fläche fast so groß wie Belgien bedeckte. Bimsstein, ein schwammartiges Gestein, entsteht bei explosiven Vulkanausbrüchen, wenn im Magma gelöstes Gas die Gesteinsschmelze aufschäumt.

Der Bimsstein-Teppich im Südpazifik stammte vermutlich vom Unterwasservulkan Monowai, der zwischen Neuseeland und Tonga am Kermadec-Graben liegt und seit Kurzem aktiv ist. Ungewöhnlich – denn meist gehen submarine Ausbrüche fast unbemerkt vor sich. Der Schlot des Monowai liegt in nur rund 100 Meter Tiefe, weshalb an der Meeresoberfläche manchmal Gasblasen oder Verfärbungen zu sehen sind. „Von einem Vulkanausbruch in der Tiefsee, 3000 oder 4000 Meter unter dem Meeresspiegel, dringt nichts bis zur Wasseroberfläche durch”, sagt Vera Schlindwein, Geophysikerin am Alfred-Wegener-Institut für Polar- und Meeresforschung in Bremerhaven.

Heftige Eruptionen im Verborgenen

Tatsächlich finden 85 Prozent aller Vulkanausbrüche auf der Erde am Meeresgrund statt, schätzen Experten. Vermutlich gibt es dort mehrere Tausend aktive Vulkane. Weil man von Eruptionen unter der Wasseroberfläche aber kaum etwas mitbekommt, wissen die Vulkanforscher nicht viel über sie. Doch dank neuer Messeinrichtungen, verbesserter Tauchroboter und einiger Zufallsfunde steht fest, dass die Eruptionen trotz des enormen Wasserdrucks sehr heftig sein können – und dass dabei seltsame Dinge geschehen.

Anzeige

Der Monowai ist ein besonders reges Exemplar. Seine Aktivität ist mit der des Ätna auf Sizilien zu vergleichen, Europas nervösestem Vulkan. Wie Messungen des deutschen Forschungsschiffs „Sonne” im Mai und Juni 2011 zeigten, hatte sich innerhalb von nur zwei Wochen am Gipfel des Monowai ein 70 Meter hoher, steiler Lavakegel aufgetürmt. An einer anderen Stelle war die Vulkanflanke um 19 Meter eingebrochen. „Die Geschwindigkeit, mit der in dieser kurzen Zeit Teile des Berges abrutschten und andere Teile aufgeschüttet wurden, ist im Vergleich mit anderen Vulkanen sehr groß”, sagt Ingo Grevemeyer vom Forschungszentrum Geomar in Kiel, der bei der Expedition mit dabei war. Die Eruption selbst konnten die Forscher nicht direkt verfolgen.

Die ersten und bislang einzigen Live-Aufnahmen eines Ausbruchs unter Wasser entstanden 2009 am rund 1000 Meter tiefen Vulkan West Mata zwischen den Fidschi-Inseln und Samoa im Südwestpazifik. Ein Tauchroboter hatte sich den aktiven Schloten bis auf wenige Meter nähern können. Die Bilder zeigen glühende Magmastränge, Dampfwolken und kleine Explosionen.

Gasgefüllte Magma-Ballons

Unter Wasser gibt es aber auch eine Eruptionsform, die man an Land nicht kennt: heiße, gasgefüllte Magma-Ballons, die zur Wasseroberfläche steigen und dort nach einiger Zeit platzen, wie Melissa Rotella von der Victoria University im neuseeländischen Wellington und ihre Kollegen im Januar 2013 im Fachmagazin „ Nature Geoscience” berichteten. Diese bislang unbekannte Eruptionsform, die dem Blubbern einer Lavalampe ähnelt, nennen die Forscher „tangaroisch” – nach Tangaroa, dem Meeresgott der neuseeländischen Ureinwohner. Von den geborstenen Magma-Ballons zeugen spezielle Bimsstein-Splitter an den Flanken des Unterwasservulkans Macauley, eines Nachbarn des Monowai.

Trotz des hohen Drucks kann es unter Wasser auch explosive Ausbrüche geben – wenn Wasser und Lava aufeinandertreffen. „Wir haben Belege dafür, dass es bis in Wassertiefen von 1000 Metern zu Explosionen kommt”, sagt der britische Vulkanologe Ian Wright von der University of Southampton. Ab einer Tiefe von 3000 Metern ist der Wasserdruck so hoch, dass Wasser nicht mehr in den gasförmigen Zustand übergehen kann.

Doch selbst in der Tiefsee kann es heftige explosive Eruptionen geben, wie ein Team um Vera Schlindwein 2008 bei einer Expedition zum Gakkel-Rücken herausfand, einem Unterwassergebirge im Arktischen Ozean. Auf dem etwa 4000 Meter tiefen Meeresgrund entdeckten die Forscher eine teils zehn Zentimeter dicke Schicht aus Vulkanasche, die insgesamt eine Fläche von zehn Quadratkilometern bedeckte. Die Asche enthielt hauchdünne Flocken aus braunem Basaltglas: die zerfetzte und anschließend erstarrte Magmahaut von Gasblasen.

Rätselhafte Aschefelder

„Viele Kollegen hielten es bislang für unmöglich, dass sich derartiges Gestein in 4000 Meter Tiefe bildet”, sagt Robert Sohn, der damalige Expeditionsleiter. Weil die Explosion nicht durch das plötzliche Verdampfen von Wasser ausgelöst worden sein kann, vermuten die Forscher, dass das Magma enorme Mengen Gas, vermutlich Kohlendioxid, enthielt. Doch wie sich die Asche über eine so große Fläche verteilen konnte, ist bis heute rätselhaft. „ Das Wasser nimmt den Schwung aus jeder Explosion”, sagt Vera Schlindwein. Bei vielen Eruptionen am Meeresgrund kommt das ausgeworfene Material nicht weiter als 30 Meter. Sohn und seine Kollegen vermuten, dass am Gakkel-Rücken eine Wolke aus heißem Wasser die Vulkanasche über einen größeren Umkreis verteilte.

Eine Gefahr für die Schifffahrt sind submarine Vulkanausbrüche nur, wenn sie in flachen Gewässern stattfinden. Doch das Interesse der Geologen für die schwer zugänglichen Eruptionen ist enorm. „Denn ein Großteil der Erdkruste ist bei submarinen Vulkanausbrüchen entstanden”, erklärt Joseph Resing von der US-Ozeanbehörde NOAA. „Sie sind einer der wichtigsten Prozesse bei der Gestaltung der Erdoberfläche.” ■

von Ute Kehse

Ohne Titel

Gigant unter Wasser: Der West Mata ragt fast 2000 Meter vom Boden des Pazifiks empor. Der Vulkan liegt an einer Riftzone, die von Südwest nach Nordost verläuft.

Mehr zum Thema

Internet

Meeresbodenrelief des Kermadec-Bogens: oceanexplorer.noaa.gov/ explorations/05fire/logs/leg2_summary/media/1_overall_summary_map.html

Relief des neuseeländischen Feuerrings: oceanexplorer.noaa.gov/explorations/ 05fire/logs/leg1_summary/media/ slideshow/slideshow.html

Bericht über eine Expedition amerikanischer Forscher ins Lau-Becken bei Tonga: oceanexplorer.noaa.gov/explorations/09laubasin/welcome.html

Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Ge|webs|flüs|sig|keit  〈f. 20; unz.; Med.〉 hellgelbe, wässrige Flüssigkeit, die durch Austritt von Blutplasma aus den Blutgefäßen in das Gewebe entsteht; Sy Lymphe ( … mehr

Dif|fe|ren|zi|al|rech|nung  〈f. 20; unz.; Math.〉 Teilgebiet der höheren Mathematik, das mit Differenzialen arbeitet; oV 〈fachsprachl.〉 Differentialrechnung … mehr

dis–Moll  〈n.; –; unz.; Abk.: dis; Mus.〉 auf dem Grundton dis beruhende Moll–Tonart

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige