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Khan von Klimas Gnaden

Erde|Umwelt Geschichte|Archäologie

Khan von Klimas Gnaden
Von Korea bis fast zum Kaspischen Meer – Dschingis Khan eroberte einst ein riesiges Gebiet. Dahinter steckte wohl nicht nur militärische Überlegenheit, sondern auch ein günstiges Klima.

der Anblick, der sich Rogerius de Torre Maggiore bot, ließ sein Blut in den Adern gefrieren: „Auf Feldern und Wegen lagen die Leichen von zahlreichen Gefallenen, hier enthauptet, dort verstreut in Dörfern und in Kirchen eingeäschert, wohin sie vergebens geflohen waren. Diese schrecklichen Leichenhaufen bedeckten die Straßen über eine Entfernung von zwei Tagesreisen, die Erde war dort ganz vom Blut gerötet.” Der Domherr von Großwardein war am 11. April 1241 Zeuge des „Mongolensturms” geworden, der das christliche Abendland im 13. Jahrhundert bis ins Mark erschütterte. Beim ungarischen Ort Muhi hatten General Batu Khan und seine Mongolen das Heer von König Béla IV. aufgerieben.

Schon seit 1237 schlug die Reiterarmee aus Fernost erbarmungslos eine Schneise durch Bulgarien, russische Fürstentümer, die Kaukasusregion bis nach Polen und Ungarn, plünderte Städte, brachte Soldaten, Frauen, Greise und Kinder um. Den frommen Priester Rogerius erfassten dunkle Vorahnungen: „Die Tage des Verderbens sind nahe, die Zeiten neigen sich dem Ende zu” – die in der Offenbarung des Johannes angekündigten apokalyptischen Reiter schienen über Europa gekommen zu sein.

Doch Ende 1241 machte der Mongolenschwarm plötzlich Halt und kehrte um. Es ging heimwärts in die mongolische Steppe. Der Grund: Ögödei, Sohn und Nachfolger des großen Dschingis Khan, war gestorben, und ein neuer Großkhan für das Reich musste dringlich bestimmt werden.

Europa atmete auf. Ögödei hatte bis dahin das Werk seines Vaters fortgesetzt, bei dessen Tod 1227 der Grundstein des mongolischen Weltreichs gelegt wurde. Dschingis Khan war der Herrscher über ein Gebiet von Korea bis fast zum Kaspischen Meer gewesen.

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der getriebene herrscher

Seit damals hat die Frage, was ihn und seine Nachfolger dazu brachte, aus der Heimat aufzubrechen und bis nach Osteuropa vorzustoßen, erst Zeitgenossen und später auch Wissenschaftler umgetrieben. Wollte Dschingis Khan schlicht Beute machen, um seine immer größer werdende Schar von Reiterkriegern zu entlohnen? Oder war es der Mangel an gutem Weideland, der ihn und das Nomadenvolk anstachelte – womöglich eine entbehrungsreiche Dürrezeit?

Der Erste, der die Eroberungsfeldzüge mit klimatischen Ursachen in Verbindung brachte, war 1934 Arnold Toynbee. In den Augen des britischen Historikers müssen Zivilisationen vor Herausforderungen gestellt werden, damit sie sich entwickeln können. Im Fall der Mongolen gab ein Klimawandel den Ausschlag, war er überzeugt: Von der Trockenheit, die zur Zeit Dschingis Khans in Tibet und China herrschte, schloss Toynbee auf ähnliche Bedingungen in der Mongolei.

not macht räuberisch

Demnach wären die Mongolen aus existenzieller Not aufgebrochen – auf der Suche nach fruchtbaren Gebieten, einem Land, in dem sprichwörtlich Milch und Honig flossen. Bis vor Kurzem klang diese Schlussfolgerung nicht nur plausibel, sondern ihr standen auch keine wissenschaftlichen Erkenntnisse entgegen – allenfalls Skepsis, ob klimatische Veränderungen den Lauf der Geschichte derart beeinflussen können.

Doch 2012 machten Forscher der West Virginia University sowie der Columbia University eine Entdeckung im Zentrum der Mongolei, die dieser Theorie den naturwissenschaftlichen Boden entzog. Die beiden Dendrochronologen Amy Hessl und Neil Pederson fanden Totholz auf einem Lavafeld, das eine Eruption des heute erloschenen Vulkans Khorgo vor rund 8000 Jahren hinterlassen hat. Bislang stießen die Jahresringforscher dort auf insgesamt 17 Bäume, die um einige Jahrhunderte älter sind als alle bisher bekannten Hölzer aus der Mongolei. Und sie erzählen eine völlig andere Geschichte vom Steppenklima zur Zeit Dschingis Khans.

Demnach gab es dort üppige Regenfälle, während Tibet und China gleichzeitig von Dürreperioden heimgesucht wurden. Die reichsten Niederschläge fielen zwischen 1211 und 1220 – der große Mongolenfürst herrschte von 1206 bis 1227, also ziemlich genau in der Zeit des mutmaßlichen Klimaoptimums. Die US-amerikanischen Forscher vermuten, dass das günstige Klima für einen größeren Viehbestand sorgte, insbesondere für mehr „Pferdestärken”, was die Basis für den Aufstieg des mongolischen Reichs schuf. Denn ohne saftige Weiden keine Pferde, ohne Pferde kein Mongolensturm.

Ortswechsel: Ulf Büntgen arbeitet bei der Eidgenössischen Forschungsanstalt für Wald, Schnee und Landschaft in Birmersdorf bei Zürich. An den Untersuchungen in der Mongolei ist er zwar nicht direkt beteiligt, aber er gehört zu dem weltweit kleinen Netzwerk von Dendrochronologen und weiß um die Schwierigkeiten, die Klimageschichte mit historischen Ereignissen zu verbinden. Das gemeinsame Ziel der Jahresringforscher ist die Rekonstruktion des Klimas vor 500, 1000 oder auch 2000 Jahren. Das ist eine gewaltige Aufgabe.

Viele Historiker tun sich allerdings schwer mit solchen Klimarekonstruktionen. Denn sie fürchten, einem „ Klimadeterminismus” anheim zu fallen, der die Witterung für die meisten Brüche und Entwicklungen der Weltgeschichte verantwortlich macht. Davon hält auch der Züricher Forscher nichts: „Man benötigt exakte historische Informationen, um Synergieeffekte nachweisen zu können. Wir Dendrochronologen erklären keineswegs alles mit dem Klima. Es geht vielmehr darum, in einem großen Zeitraum Parameter und deren Einflüsse auszumachen.”

Ulf Büntgen zeigt an einem Beispiel, welche globalen Folgen klimatische Veränderungen haben können: 1347 suchte erstmals die Pest Europa heim. Weitere Pestwellen folgten bis in das 18. Jahrhundert hinein. Heute wissen Forscher, dass Händler die Infektionskrankheit aus Asien eingeschleppt hatten. Einen Beleg dafür scheinen die Jahresringe von Bäumen aus dem zentralasiatischen Karakorum-Gebirge zu liefern: Den Perioden mit besonders breiten Ringen folgen in einem Abstand von acht bis zwölf Jahren Pestepidemien in Europa.

Das feuchte Klima in Asien habe zu einem erhöhten Nahrungsangebot für Nagetiere geführt, deren Populationen stark anwuchsen, folgern die Forscher. Und damit sei auch die Gefahr gestiegen, dass die von Ratten übertragene Krankheit viele Menschen erreichte. Sicher ist, dass die Nager auf Handelsschiffen ihren Weg nach Europa fanden. Das erklärt, warum die Pest dort mit zeitlicher Verzögerung ausbrach. Doch Ulf Büntgen warnt, voreilige Schlüsse aus nur einer Ursache zu ziehen. „Es bedarf stets einer gründlichen Quellenanalyse, die viel Zeit in Anspruch nimmt.”

Das gilt auch für die jüngsten Funde in der Mongolei. Der Bonner Archäologe Hans-Georg Hüttel ist skeptisch, ob sich der mongolische Aufstieg von einem klimatischen Umschwung ableiten lässt. In den 1950er-Jahren habe es schon einmal eine ähnliche Diskussion gegeben. Damals brachten Wissenschaftler den Aufbruch der Skythen und anderer Reitervölker um 800 v.Chr. mit einem Klimaoptimum in Verbindung. „Aber der Beweis dafür wurde nie erbracht.” Den Erfolg der Mongolen führt er vielmehr auf die sukzessive Unterwerfung der anderen Steppenvölker durch Dschingis Khan zurück. „Das ist dann eine Kettenreaktion. Es gibt immer mehr Menschen, die immer mehr Land benötigen.”

unter Dschingis Khans joch

Ähnlicher Ansicht ist Chuluun Dalai, Mitglied der mongolischen Akademie der Wissenschaften: Zwischen 1202 und 1205 war es zu Kämpfen zwischen Männern des Mongolenfürsten Temüdschin, dem späteren Dschingis Khan, und anderen mächtigen Stämmen des Landes gekommen. Am Ende ging Temüdschin siegreich daraus hervor, „und die Mongolen unterstanden nun einem einzigen Herrscher”. Aus Temüdschin wurde Dschingis Khan. „Das war die Voraussetzung für einen starken mongolischen Einheitsstaat”, sagt Chuluun Dalai. Auf der Grundlage dieses Staats gelang es den Mongolen, mit ihrem Heer bis nach Osteuropa zu ziehen.

Bis heute fasziniert, mit welch atemberaubender Geschwindigkeit dies alles vonstatten ging und dass sich der Großkhan nicht nur als Eroberer, sondern auch als Gesetzgeber und Staatsgründer verstand. Dschingis Khan wurde um 1162 oder 1167 geboren – zu einer Zeit, in der die verschiedenen mongolischen Stämme stark zersplittert waren. Das ließ die Zeiten seines Urgroßvaters Kabul Khan besonders strahlend erscheinen, der die Mongolen etwas mehr als 100 Jahre zuvor für kurze Zeit geeint hatte. Nun setzte Dschingis Khan eine Kettenreaktion in Gang: Jeder Sieg trug dazu bei, seinen Ruf als legendären Krieger weiter in die Welt zu tragen. Nachdem er die angrenzenden Steppenvölker bezwungen hatte, griff er um 1208 erstmals nach Süden auf die sesshaften Tanguten über, dann auf das Jin-Reich in Nordchina und später auf das islamische Choresm-Reich im Westen. 1220 gab er den Befehl zur Gründung der Hauptstadt Karakorum.

Dschingis Khans Willensstärke, die Einigung der mongolischen Stämme und die dadurch ausgelöste Kettenreaktion erklären jedoch nicht, wie es dem Großkhan und seinen Nachfolgern gelang, erst die Nachbarn das Fürchten zu lehren, dann den gesamten eurasischen Steppengürtel zu erobern und zuletzt ganze Ritterheere aufzureiben. Denn so viel ist klar: Die Mongolen waren ihren Gegnern militärisch überlegen. Ihre Bögen waren viel kleiner und stabiler konstruiert als ältere Typen dieser Waffengattung.

Außerdem verstanden die Mongolen es, im vollen Galopp in alle Richtungen Pfeile abzuschießen, die dazu noch viel durchschlagskräftiger waren als die Geschosse, die europäische Heere benutzten. So konnten die asiatischen Steppenkrieger ihre Gegner aus sicherer Entfernung töten und mussten sich in aller Regel nicht auf den Nahkampf einlassen. Zudem waren sie hervorragende Reiter, hatten sie doch von Kindesbeinen an gelernt zu reiten, und saßen – vor allem aufgrund der immerzu verbesserten Sattelform – wesentlich sicherer auf ihren Tieren als ihre Gegner.

Doch das Klima könnte Dschingis Khans Eroberungen Schützenhilfe gegeben haben. Die Dendrochronologen Neil Pederson und Amy Hessl vermuten, dass der natürliche Wasservorrat der Schlüssel seines Erfolgs war: Die im Überfluss vorhandene Ressource lieferte reichlich Energie für mehr „Pferdestärken” .

Die Jahresringe der Tothölzer sagen aber noch nichts über die Zahl der Pferde aus, die damals auf mongolischen Weiden grasten. Die Forscher wollen deshalb aus den Bodensedimenten von fünf bis sieben Seen ermitteln, wie viele Pferde dort getränkt wurden. Dafür werden sie im Sommer 2013 Bohrkerne entnehmen und die Erdschichten anschließend mit der C14-Methode datieren.

Als Nächstes wollen sie für die Zeit Dschingis Khans die einstige Algenkonzentration in den Gewässern bestimmen. Daraus lässt sich die ungefähre Menge an Phosphat ermitteln, das aus dem Dung der Rinder und Pferde ins Wasser gelangte. „Außerdem werden wir nach Sporen des Sporormiella-Pilzes suchen, der vor allem in Viehdung vorkommt”, sagt Hessl. Denn: Je mehr Mist anfiel, umso mehr Tiere gab es.

Streit um die Seen

Hans-Georg Hüttel, der lange Jahre die Grabungen in Karakorum leitete, äußert allerdings Bedenken: „Es gab in der damaligen Mongolei bereits sehr viele Brunnen. Man kann also davon ausgehen, dass viele Pferde dort getränkt wurden.” Einige wenige Seen würden demnach nicht genügen, um ein aussagekräftiges Gesamtbild zu liefern.

Amy Hessl widerspricht: Wenn sehr viel mehr Wasser in den Seen vorhanden war, hätten die Menschen auch weniger Aufwand betreiben müssen, um ihren Viehbestand zu versorgen. Doch auch sie erwartet die Ergebnisse der Sedimentanalyse mit Spannung. „Wir hoffen, Sporormiella gibt uns Auskunft über den Viehbestand in der Nähe der Seen. Aber die Vorgehensweise ist relativ neu – wir können also noch nicht abschätzen, was dabei herauskommt.” Hüttel schließt zwar nicht aus, dass ein Klimaoptimum den Aufstieg der Mongolen begünstigt haben könnte, „aber das muss in Bezug zu den historischen Verhältnissen gesetzt werden”.

Und was ist mit der Gründung von Karakorum – könnte das Klima dabei eine Rolle gespielt haben? Normalerweise eignen sich Steppenregionen kaum für dauerhafte Ansiedlungen, auch wenn das Tal des Orchon-Flusses für mongolische Verhältnisse bis heute relativ fruchtbar ist. Aber das, sagt Hüttel, war nicht der eigentliche Grund dafür, dass Dschingis Khan gerade dort seine Hauptstadt gründete. Dies habe vielmehr mit der Tradition des Ortes zusammengehangen: „Wer sich dort festsetzte, war legitimiert, über alle Steppenvölker zu herrschen.”

Das Gebiet um das heilige Ötükan-Gebirge galt früheren Stämmen als verheißenes Land. Mit der Gründung Karakorums stellte sich Dschingis Khan in die Tradition älterer nomadischer Reitervölker wie der Kök-Türk und der Uiguren, die dort zwischen dem 6. und 9. Jahrhundert ihre Machtzentren etabliert hatten.

Die auf dem Reißbrett geplante Stadt wurde zum Herrschaftszeichen und zur Keimzelle des mongolischen Reichs. „ Indem sie eine Stadt gründeten, schufen sie das Fundament zur Entstehung des Staates”, heißt es auf einem Inschriftenfragment von 1346 aus Karakorum. Die Stadt blühte jedoch erst unter Dschingis Khans Nachfolger Ögödei auf – und vor allem unter Möngke Khan, der zwischen 1251 und 1259 regierte. Damals lebten auf dem 1,8 Quadratkilometer großen Areal rund 10 000 bis 15 000 Menschen.

Bisher ist nur ein kleiner Teil Karakorums erforscht. Den Anfang machten sowjetische und mongolische Archäologen 1948/49. Sie beschäftigte vor allem die Suche nach dem Palast Ögödeis. Bis vor wenigen Jahren glaubten Forscher, den Residenzbau mit einer Säulenhalle im Südwesten der Stadt freigelegt zu haben. Seit 1999 gräbt die mongolisch-deutsche Karakorum-Expedition in der einstigen Hauptstadt. Wie die Arbeiten des Deutschen Archäologischen Instituts ergaben, handelte es sich bei dem „ Palastbezirk” mit großer Wahrscheinlichkeit um einen buddhistischen Tempel.

Die Ausgrabungen in den Jahren 2005 und 2006 wiesen dann in eine neue Richtung: Hans-Georg Hüttel ist davon überzeugt, dass sich der Palast im – oder besser: unter dem – 1585 gegründeten Kloster von Erdene Zuu am Südrand der Stadt befindet. Unter den Klostermauern entdeckten die Ausgräber bis zu acht Meter breite Mauern aus der Blütezeit Karakorums, die sie als Teil der nördlichen Außenmauer der Palaststadt deuteten.

Verbündeter im „Heiligen Krieg”

Dafür spricht auch eine der wichtigsten zeitgenössischen Quellen. 1253 reiste der Franziskaner Wilhelm von Rubruk im Auftrag des französischen Königs Ludwig IX. nach Zentralasien. Er sollte Möngke Khan als Verbündeten für den „Heiligen Krieg” gegen den Islam gewinnen. Daraus wurde zwar nichts, aber 1254 empfing der Großkhan tatsächlich den Franziskaner. Wenige Jahre nach seiner Rückkehr schrieb er dann in seiner „Reise zu den Mongolen” , dass der Palast am Stadtrand gelegen habe. Doch nicht nur auf der Suche nach der Palaststadt konnten Archäologen in den vergangenen Jahren Fortschritte verbuchen, sondern sie brachten auch einiges über das Alltagsleben der Bewohner ans Licht.

So entdeckten Forscher der Universität Bonn in der „Stadtmitte” die in Nord-Süd-Richtung verlaufende Hauptstraße. „Deren Pflaster war auf ein mehrere Schichten umfassendes Kiesbett aufgebracht, sodass die Straße vergleichbar den Römerstraßen der Alten Welt auf einem erhöhten Damm verlief”, erläutert Grabungsleiter Ernst Pohl. Beiderseits der Straße stießen die Wissenschaftler auf Teile des historisch überlieferten Handwerkerviertels der Chinesen. „Entdeckt wurden dort Öfen und Feuerstellen, Werkstätten zur Metallverarbeitung, Glas- und Edelsteinverarbeitung”, sagt Pohl. Ein besonderer Fund war die Werkstatt eines Metallhandwerkers: Dort kamen mehrere vollständig erhaltene Holzpflöcke mit Aussparungen ans Licht, in die einst Ambosse eingelassen waren.

Hatten sich die Bonner Archäologen bis 2005 auf die Stadtmitte Karakorums konzentriert, wandten sie sich danach einem Siedlungsplatz am westlichen Orchon-Ufer zu. Dort fanden sie ebenfalls Reste von Werkstätten, etwa einen Ofen zur Keramik- oder Ziegelherstellung, und Spuren von Metallverhüttung.

Das Klimaarchiv der Tothölzer

In der Stadtmitte kam 2004 auch eine Silbermünze zum Vorschein, die in einer Münzstätte Karakorums geprägt worden war. Das Geldstück stammt aus den Jahren 1237/38 und stellt damit die bislang älteste Erwähnung der Hauptstadt dar. Dass Dschingis Khan die Kapitale 1220 gründete, schildern Inschriften und Chroniken des 14. Jahrhunderts. Sie schweigen sich allerdings darüber aus, ob Wind und Wetter zu jener Zeit auch mehr Regen spendeten. Das „ Klimaarchiv” der Tothölzer von Khorgo lässt jedoch kaum einen Zweifel daran. Ob das Klimahoch Dschingis Khan aber tatsächlich mehr Pferde für seine Kriegerschar bescherte – darüber ist das letzte Wort noch nicht gesprochen. ■

Dass die Geschichte so stark durch das Klima beeinflusst sein kann, hätte UWE A. OSTER gerne schon in seinem Geschichtsstudium gehört.

von Uwe A. Oster

Das größte Reich der Weltgeschichte

Als Dschingis Khan 1227 starb, teilten seine vier Söhne das Imperium unter sich auf. Den drittjüngsten, Ögödei, wählte die mongolische Elite zum Großkhan über das Gesamtreich. Unter seinem Neffen Möngke Khan erstreckte es sich dann von Korea über Zentral- und Vorderasien bis nach Osteuropa. Doch der Brauch der Erbteilung zersplitterte das Imperium allmählich. Nach 1260 entstanden vier unabhängige Teilreiche: die „Goldene Horde”, das Tschagatai-Khanat, das Yuan-Reich und das Il-Khanat. Im 14. Jahrhundert zerfielen die Mongolenreiche endgültig.

Kompakt

· Nicht eine Dürre, wie lange vermutet, trieb Dschingis Khan und seine Mongolen zu Eroberungszügen, sondern wohl der Segen feuchter Witterung.

· Dendrochronologen nehmen an, dass üppiger Regen genügend Wasser brachte, um den Bestand an Kriegspferden zu vergrößern.

· Ausgrabungen in Karakorum, der einstigen Hauptstadt des Mongolenreichs, geben detailreiche Einblicke in das Alltagsleben der Einwohner.

Gut zu wissen: Dendrochronologie

Jedes Jahr legen Bäume zu – mal breite und mal schmale Ringe, je nachdem, ob das Wetter streng oder mild, trocken oder feucht ist. Im Querschnitt eines Stamms zeigt sich der Zuwachs als Abfolge von Jahresringen, aus denen Dendrochronologen die Umwelt- und Klimabedingungen vergangener Zeiten rekonstruieren – und ablesen, wann ein Baum gefällt wurde oder wann Waldbrände wüteten. Die Klimarekonstruktion trifft allerdings nur auf die Wachstumsphase der Bäume von April bis September zu.

Mithilfe der Baumringe können Dendrochronologen Holz aufs Jahr genau datieren. Dafür suchen sie bei älteren und jüngeren Bäumen nach ähnlichen Ringmustern, die sie zur Deckung bringen. So hangeln sie sich von Baum zu Baum in die Vergangenheit. Doch je weiter es zurückgeht, umso weniger Bäume stehen zur Verfügung. In Europa suchen Forscher daher nach Hölzern, die in alten Häusern verbaut sind. Bislang konnten sie so einen „Jahrringkalender” bis um 800 n.Chr. aufstellen. Mit ihm lässt sich nicht nur das Alter von Gebäuden bestimmen, sondern auch das von Tafelbildern oder Möbeln.

Um tiefer in die Geschichte eintauchen zu können, analysieren Dendrochronologen alte Stämme aus Kiesgruben und Mooren. Den bisher längsten Kalender stückelten Botaniker von der Universität Hohenheim zusammen: Er reicht 12 468 Jahre bis zum Ende der letzten Eiszeit zurück. In ihrem Klimaarchiv suchen die Wissenschaftler auch nach Erklärungen für historische Ereignisse. So spiegeln die vielen zwischen 300 v.Chr. und 200 n.Chr. gefällten Eichen die Expansion des Römischen Reichs wider. Zwischen 250 und 550 n.Chr. häuften sich Klimaschwankungen. In diese Phase fällt die „Völkerwanderungszeit”, die womöglich durch Klimaveränderungen verschärft wurde.

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