Seit März 2015 umkreist die Raumsonde Dawn den Zwergplaneten Ceres. Mit rund 950 Kilometern Durchmesser ist er der größte Brocken im Asteroidengürtel. Er gilt, ähnlich wie das meiste andere „Weltraumgeröll“ in dieser Zone zwischen Mars und Jupiter, als Überrest aus der Frühzeit des Sonnensystems. Hier sammelten sich wahrscheinlich Trümmer und Brocken, die nicht von wachsenden Planeten geschluckt wurden. Daher lassen sie erahnen, wie das „Rohmaterial“ der Erde ausgesehen haben könnte – und sind für Planetenforscher besonders spannend. Tatsächlich offenbarten schon die ersten Aufnahmen der Oberfläche von Ceres ungewöhnliche geologische Strukturen, darunter einen pyramidenförmigen Berg, ungewöhnlich glatte Ebenen im Innern von Kratern und auffallende weiße Flecken. Ebenfalls überraschend: Das Weltrumteleskop Herschel detektierte Anfang 2014 von Ceres aufsteigenden Wasserdampf. Seltsam ist dies deshalb, weil der Asteroidengürtel bisher als trockene, eisarme Region des Sonnensystems galt.
Salzschicht mit viel Wassereis
Andreas Nathues vom Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung in Göttingen und seine Kollegen könnten jetzt sowohl das Rätsel der weißen Flecken als auch das des Wasserdampfs zumindest in Teilen gelöst haben. Für ihre Studie werteten sie neue Daten der Dawn-Raumsonde aus, darunter Spektraldaten und hochaufgelöste Aufnahmen der Oberfläche. Die ersten Auswertungen ergaben, dass die weißen Flecken nahezu überall auf dem ansonsten eher dunklen Zwergplaneten vorkommen. „Wir haben mehr als 130 helle Flecken auf Ceres gezählt“, berichten die Forscher. „Die meisten von ihnen stehen in Verbindung mit Einschlagskratern.“ Worum es sich dabei handeln könnte, untersuchte die Forscher am Beispiel des prominentesten weißen Flecks, einem rund zehn Kilometer großen Gebiet im Occator-Krater. Hier scheint der Untergrund mit einem hellen Material bedeckt zu sein, durch das sich feine dunkle Risse ziehen, so Nathues und seine Kollegen. Die Helligkeit liege etwa zwischen der von hellem Beton und Meereis.
Nach Angaben der Forscher kommen für die Zusammensetzung dieses weißen Materials drei mögliche Materialien in Frage: Wassereis, eisenarme Tonminerale oder Salze. Welches davon zutrifft, ließ sich jedoch allein auf Basis der Spektraldaten nicht ermitteln. Aus Vergleichen mit verschiedensten Materialien, die die Wissenschaftler im Labor untersuchten, schließen sie jedoch, dass das helle Material der Flecken am ehesten aus hydrierten Magnesiumsulfaten besteht. Solche Minerale kommen auch auf der Erde vor – nicht selten am Rande von Salzseen. Und noch etwas fiel auf: „Auf einigen unserer Aufnahmen lässt sich zudem ein Schleier über dem Kraterboden erkennen“, berichtet Nathues. Der Dunst tritt in einem täglichen Rhythmus immer dann auf, wenn Sonnenlicht den Kraterboden erreicht. Das spricht dafür, dass im weißen Fleck neben dem Salz auch Wassereis enthalten ist.
Flug über die in Falschfarben dargestellte Oberfläche des Ceres (Video: Max-Planck-Institut für Sonnensystemforschung)
Ähnlich wie ein Komet
Die Forscher vermuten, dass es unter der dunklen Oberfläche des Ceres eine durchgehende Schicht aus salzhaltigem Wassereis geben könnte. „Unsere Ergebnisse zeigen, dass sich unterirdisches Eis auch im vergleichsweise sonnennahen Asteroidengürtel halten konnte“, so Nathues. „Die oberflächliche Gesteinsschicht schützt es vor dem Einfluss der Sonne.“ Wird dann die isolierende Deckschicht durchbrochen, beispielsweise durch den Einschlag eines Meteoriten, legt dies das Salz-Eisgemisch frei. „Offenbar verdampft dort dann Wasser und trägt kleine Teilchen mit sich“, so der Forscher weiter. Jeden Morgen, wenn sich die Fläche durch die Sonne erwärmt, sublimiert das Wassereis und bildet so den Dunst. Der Prozess erinnere an das Ausgasen von Kometen, verlaufe aber zurzeit eher beschaulich und nicht-eruptiv – eher wie ein langsames Ausdünsten als wie eine Eisfontäne.
Damit aber ist Ceres ein absolutes Novum im Asteroidengürtel: „Ceres ist der erste große Himmelskörper im Haupt-Asteroidengürtel, der eine solche kometenähnliche Aktivität zeigt“, konstatieren die Wissenschaftler. Das könnte jüngste Annahmen bestätigen, nach denen die Grenze zwischen Asteroiden und Kometen weniger scharf ist als lange angenommen.