Schon zuvor haben Studien gezeigt, dass eine Reizung bestimmter Gehirnbereiche durch Magnetfelder oder elektrischen Strom psychologische und physiologische Auswirkungen haben kann. So soll eine sogenannte transkranielle Stimulation mit Magnetfeldern beispielsweise dabei helfen, besonders schwere Fälle von Depression zu lindern. Bei Schlaganfall-Patienten kann sie dazu beitragen, dass ihr Gehirn schneller wieder lernt, verlorene Fähigkeiten zu regenerieren. Es gab auch schon erste Hinweise darauf, dass die elektrische oder magnetische Stimulation unseres Denkorgans auch unsere kognitiven Fähigkeiten verbessern kann – uns also klüger macht. Vor zwei Jahren bereits hatten Kadosh und seine Kollegen ein Experiment durchgeführt, bei dem sie bestimmte Hirnbereiche durch einen schwachen Gleichstrom reizten. Tatsächlich schnitten die so behandelten Probanden in Mathetests besser ab als nicht behandelte. Ein Nachteil dabei: Der durch die Kopfhaut geleitete Gleichstrom ruft ein schmerzhaftes Brennen und Ziehen hervor – angenehm ist diese Art des „Hirndopings“ also nicht gerade.
Leichte Stromstöße fürs Mathezentrum
Auf der Suche nach einer schonenderen Methode haben Kadosh und seine Kollegen nun eine andere Form der Elektrostimulation getestet, die sogenannte transcranial Random Noise Stimulation (tRNS). Dafür werden zwei Elektroden außen am Schädel über dem zu reizenden Gebiet befestigt. Diese leiten dann über mehrere Minuten leichte Stromstöße zufällig wechselnder Frequenz in das Zielareal. Für den Behandelten ist diese Reizung absolut schmerzfrei und kaum zu spüren, wie die Forscher erklären. Das Gehirn jedoch reagiert auf diese Stimulation, indem sich die Muster der Hirnströme in diesem Gebiet verändern. Auch die Durchblutung des gereizten Areals wird angeregt, wie Messungen zeigen. In ihrer Studie wollten die Forscher herausfinden, wie sich die mathematischen Fähigkeiten von Probanden ändern, wenn ihr Mathezentrum im dorsolateralen präfrontalen Cortex während des Lernens auf diese Weise stimuliert wird.
Für die Studie absolvierten 25 Probanden an fünf aufeinanderfolgenden Tagen verschiedene Rechenübungen. Eine Hälfte der Probanden erhielt währenddessen jeweils 20 Minuten lang eine transkranielle Stimulation, die andere Hälfte bekam zwar ebenfalls die Elektroden aufgesetzt, nach ein paar einleitenden Stromstößen wurde die weitere Stimulation aber nur simuliert. Nach dem fünften Tag mussten alle Teilnehmer einen Mathetest absolvieren, der zeigen sollte, wie gut sie gelernt hatten. Das Ergebnis: Tatsächlich schnitten die Probanden, deren Gehirn während des Lernens elektrisch stimuliert worden war, signifikant besser ab, wie die Forscher berichten. Diese Unterschiede zeigten sich vor allem bei Aufgaben, die den Transfer des zuvor Gelernten und die Anwendung von komplexen Regeln erforderten.
Kurze Reizung – monatelange Wirkung
„Ein Schlüsselergebnis ist es aber, dass diese Verbesserungen in den Rechenleistungen noch mindestens sechs Monate anhalten“, berichten Kadosh und seine Kollegen. Denn als alle Probanden ein halbes Jahr später erneut zum Test antreten mussten, schnitten wieder diejenigen mit Abstand am besten ab, die beim Lernen der transkraniellen Stimulation unterzogen worden waren. Das zeige, dass schon eine relativ kurze Stimulation der entsprechenden Hirnregionen langanhaltende Verbesserungen bewirke. Welche langfristigen Veränderungen die Stromstöße dabei genau im Gehirn auslösen, ist allerdings noch unklar. Möglicherweise, so mutmaßen die Forscher, verändert sich die Blutversorgung des gereizten Areals dauerhaft und fördert so dessen Funktion.
Nach Ansicht der Wissenschaftler zeigt ihr Experiment, dass es grundsätzlich möglich ist, das Lernen und die geistigen Fähigkeiten durch diese Form der Stimulation zu verbessern. „Wenn wir das Rechnen verbessern können, dann besteht eine gute Chance, dass das auch mit anderen kognitiven Funktionen klappt“, konstatiert Kadosh. In ferner Zukunft könnte daher womöglich das Einstöpseln der Elektroden so selbstverständlich zum Schulunterricht dazugehören wie heute das Zücken von Bleistift und Papier oder dem Taschenrechner. Und wer mal eben schnell eine neue Sprache oder andere neue Fähigkeiten lernen will, der greift während des Übens dann auch ganz selbstverständlich zum „Stimulator“