Ferngesteuertes Verhalten
Offenbar kann der Parasit also das Verhalten seines Zwischenwirts beeinflussen, um die Chance einer Übertragung auf sein eigentliches Ziel zu verbessern, interpretieren Wissenschaftler dieses Phänomen. Die neue Studie zeigt nun sogar, dass diese Verhaltensmanipulation noch lange nicht alles ist, was der Erreger mit der Mücke anstellt. Die Forscher um Renate Smallegange von der Universität Wageningen ließen darin infizierte und nicht infizierte Anopheles-Mücken gegeneinander antreten. Alle Insekten wurden in einem Käfig freigelassen, in dem sich zwei Nylonsocken befanden: eine neue und eine, die Smallegange 20 Stunden lang getragen hatte. Mücken fliegen nämlich besonders auf den Geruch von menschlichen Füßen, hatten frühere Studien gezeigt.
Die Wissenschaftler erfassten anschließend, wie viele Moskitos auf dem ungetragenen Strumpf landeten und wie viele den getragenen bevorzugten. Ergebnis: Während die neue Socke für alle Insekten im Test völlig uninteressant war, gab es bei der schmutzigen einen klaren Unterschied. Von den infizierten Mücken landeten mehr als dreimal so viele auf dem Strumpf wie von den nicht infizierten. Die Beobachtung sei der erste Nachweis für eine Verhaltensänderung durch Plasmodium falciparum als Reaktion auf einen Geruch, erläutern die Forscher. Sie halten das für ein klares Zeichen dafür, dass der Parasit entweder den Geruchssinn der Insekten direkt beeinflusst oder aber deren Vorliebe für bestimmte Gerüche manipuliert.
Genaktivität verändert?
Möglicherweise verändert die Infektion die Aktivität bestimmter Gene im Geruchszentrum der Mücken, spekuliert das Team. Etwas Ähnliches habe man bereits bei Infektionen mit einem Verwandten von P. falciparum beobachtet: Infiziert er eine Anopheles-Mücke, verändert sich die Menge mehrerer Proteine im Kopfbereich des Insekts, darunter auch solche, die für die Verbindungen im Nervensystem der Tiere notwendig sind. Denkbar wäre beispielsweise, dass sich dadurch Strukturen verändern, die für das Binden und Erkennen von Duftstoffen zuständig sind oder dass das Botensystem manipuliert wird, das die Anwesenheit eines Duftes an das Nervenzentrum meldet, vermuten die Forscher.
Was auch immer der Grund ist, die Entdeckung hat ihrer Ansicht nach in mehreren Bereichen Konsequenzen. Der erste ist die Erforschung von Abwehrmitteln: Bisher werden meist nicht infizierte Mücken für Studien und Tests verwendet, erläutert das Team. Wenn die infizierten Tiere jedoch, wie es die aktuelle Untersuchung nahelegt, völlig anders auf Geruchsreize reagieren, haben diese Studien nur einen sehr begrenzten Aussagewert für die Praxis. Zum Zweiten könnte die Entdeckung helfen, effizientere Mückenfallen zu bauen, die speziell die Tiere anlocken, die den Parasiten in sich tragen, hoffen die Forscher. Dazu müsse allerdings erst geklärt werden, welcher Anteil des menschlichen Körpergeruchs die größte Anziehungskraft auf die Mücken besitzt.
Hängt der Effekt vom Entwicklungsstadium ab?
Auch andere Fragen seien noch offen und sollen möglichst schnell geklärt werden. Bereits begonnen haben die Wissenschaftler mit einer Untersuchung, in der sie feststellen wollen, ob die Parasiten nur dann den Geruchssinn beeinflussen, wenn sie sich in ihrer infektiösen Form befinden oder ob das Phänomen immer auftritt. Da jedes Jahr mehr als 200 Millionen Neuerkrankungen und über 770.000 Todesfälle auf das Konto von Plasmodium falciparum gehen, sei es dringend notwendig, die Übertragungswege besser zu verstehen, betonen Smallegange und ihre Kollegen.