Funde mit Seltenheitswert
Jetzt aber haben die Forscher gleich mehrere außergewöhnlich gut erhaltene Gehörknochen von sehr frühen Vorfahren des Menschen entdeckt. Einen kompletten Satz aus Hammer, Amboss und Steigbügel fanden sie im Schädel eines in Swartkrans in Südafrika ausgegrabenen Exemplars von Paranthropus robustus. Dieser sehr kräftig gebaute Vormensch lebte vor rund 1,8 Millionen Jahren und gilt als Seitenzweig unserer Stammeslinie.
Einen Hammer und Steigbügel bargen die Wissenschaftler zudem aus dem Schädel eines Australopithecus africanus. Ob diese vor rund zwei Millionen Jahren lebende Vormenschenart ein direkter Vorfahre des modernen Menschen ist oder auch ein Seitenzweig, ist bisher unklar. Der Fund der Gehörknöchelchen erlaubt nun erstmals einen direkten Vergleich der Ohranatomie dieser Vormenschen mit der des modernen Menschen und auch miteinander, wie Quam und seine Kollegen erklären.
Menschlicher Hammer, äffischer Amboss und Steigbügel
Die Analysen der neuentdeckten Knochen ergaben, dass der Hammer beider Vormenschenarten bereits sehr menschenähnlich war. „Beim Menschen ist der Hammerstiel (das Manubrium) kürzer und dicker als bei den Menschenaffen“, berichten die Forscher. Genau dies sehe man auch bei Paranthropus robustus und Australopithecus africanus. Auch der Winkel zwischen Hammerkopf und Stiel sei eindeutig menschenähnlich. Dass beide Vormenschenarten bereits dieses Merkmal besaßen, deutet nach Ansicht der Paläoanthropologen darauf hin, dass sie es von ihrem letzten gemeinsamen Vorfahren geerbt haben müssen. Eindeutig nicht-menschlich sind dagegen der Amboss des Paranthropus und die Steigbügel beider Vormenschen: Sie ähneln in ihrer Form den Gehörknochen der heutigen Schimpansen.
Die einzigartige Kombination von menschenähnlichem Hammer und affenähnlichem Amboss lässt auch Rückschlüsse über das Gehör dieser Vormenschen zu, wie Quam und seine Kollegen berichten. Denn bei den meisten Primaten sorgt ein eher kurzer Amboss dafür, dass sie im Bereich der mittleren Frequenzen etwas schlechter hören. Diese Delle im Hörvermögen fehlt beim Menschen, weil sein Amboss anders geformt ist. „Dies ist einer der auffallendsten Unterschiede des menschlichen Gehörs zu dem der restlichen Primaten“, so die Forscher. Wie sich jetzt zeige, liege der Paranthropus robustus mit seiner Ohranatomie also genau zwischen Menschenaffen und Mensch. Das könnte darauf hindeuten, dass auch seine akustische Wahrnehmung schon dabei war, sich in Richtung Mensch zu entwickeln. Der Fund der vollständigen Gehörknöchelchen eröffnet nun erstmals die Möglichkeit, zu rekonstruieren, wie und was unser ferner Vorfahre tatsächlich hörte.