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Mission: Entgiftung

Erde|Umwelt

Mission: Entgiftung
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Innen der Polymerkern, außen die Hülle eines roten Blutkörperchens und daran angedockt die Toxin-Moleküle - so stellen sich die Wissenschaftler Aufbau und Wirkungsweise ihrer Mini-Schwämme vor. Bild: Hu et al. / Nature Nanotechnology
Bei manchen Infektionen sind es gar nicht so sehr die Erreger selbst, die dem Körper Probleme machen – es sind die Giftstoffe, die sie großzügig freisetzen. Gelänge es, diese Toxine im Blut abzufangen, verlören die Keime einen Großteil ihrer Schlagkraft. Eine Möglichkeit, dieses Ziel zu erreichen, könnten US-Forscher jetzt gefunden haben: Sie fluten das Blut mit winzigen Nano-Schwämmchen, die die Giftmoleküle einsammeln und zum Verdauen in die Leber schleusen. Bisher zwar nur bei Mäusen gelungen, hat diese Methode jedoch viel Potenzial, auch in der Klinik angewendet zu werden – und zwar bei überraschend vielen verschiedenen Giftstoffen.

Normalerweise muss man genau wissen, wie ein Toxin-Molekül beschaffen ist, um eine geeignete Gegenmaßnahme zu entwickeln. Das kann ein maßgeschneiderter Antikörper sein, der auf genau den betreffenden Giftstoff reagiert, oder auch eine Substanz, deren Moleküle wie ein Schlüssel ins Toxin-Schloss passen und es so unschädlich machen. Der Nachteil solcher Systeme: Für jede einzelne Art von Giftstoff braucht es ein anderes Gegenmittel.

Ein Partikel für (fast) alle Fälle

Die Mini-Schwämmchen, die Che-Ming Hu von der University of California in San Diego und seine Kollegen jetzt entwickelt haben, sind da etwas anders unterwegs. Sie können gleich eine ganze Reihe von unterschiedlichen Toxinen einsammeln und entsorgen – und zwar dank eines einfachen Tricks: Die Wissenschaftler kleideten die kugelförmigen Nanoteilchen in die Hülle roter Blutkörperchen. Genau die ist das Ziel einer großen Gruppe von Giftstoffen, porenformende Toxine genannt. Sie werden beispielsweise vom gefürchteten Krankenhauskeim MRSA gebildet, von einigen krankmachenden E. coli-Arten, von Listerien und dem Anthrax-Erreger, sind aber auch in vielen Insekten- und Schlangengiften enthalten. Zwar unterscheiden sich die Moleküle dieser Toxine erheblich, ihr Wirkprinzip ist aber immer gleich: Sie bauen sich in die Membran der Blutzellen ein, formen Löcher darin und töten so die napfförmigen Zellen.

Bei den Nanopartikeln dient die Blutkörperchenhülle nun zum einen dazu, die Toxinmoleküle sozusagen anzulocken. Sie setzen sich fest und bilden ihre Löcher, können dem darunterliegenden Nanoschwamm aber weder etwas anhaben noch anschließend wieder entkommen. Zum anderen ist die Membran ein Tarnanzug: Da sie von außen wie rote Blutkörperchen wirken, geht das Immunsystem nicht gegen die Nanoteilchen vor.

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In der Praxis hat sich das System auch bereits bewährt. Getestet haben die Forscher es vor allem am Beispiel des alpha-Hämolysins, einem Toxin des Krankenhauskeims MRSA. Spritzt man es Mäusen in die Haut, entstehen bereits nach kurzer Zeit entzündete Wunden, die stark anschwellen. Mischten die Forscher das Gift vorher jedoch mit den Nano-Schwämmchen, blieb die Mäusehaut völlig intakt. Noch beeindruckender war der Effekt, wenn den Tieren eine größere Dosis direkt in den Blutkreislauf gespritzt wurde: Ohne das Gegenmittel starben alle Mäuse innerhalb von sechs Stunden. Bekamen sie die Nanoteilchen dagegen zwei Minuten vor der Injektion, überlebten ganze 89 Prozent. Auch eine Behandlung nach der Injektion zeigte noch Wirkung: Hier schafften es immerhin noch 44 Prozent der Tiere.

Einfangen und entsorgen

Offenbar sammeln die Nanoteilchen, die einen Durchmesser von etwa 85 Nanometern haben und damit etwa 3.000-Mal kleiner sind als rote Blutkörperchen, die Giftmoleküle an ihrer Oberfläche an – bis zu 80 Stück auf einem einzigen Partikel. Dann wandern sie mit ihrer Ladung in Richtung Leber, wo die Teilchen inklusive ihrer giftigen Fracht verdaut werden – und zwar ganz ohne Schäden an der Leber hervorzurufen.

Als nächstes wollen die Forscher, wie immer in solchen Fällen, mit klinischen Studien beginnen. Dazu muss natürlich zunächst die Verträglichkeit und Sicherheit der Nanopartikel getestet werden. Sollten diese Vortests jedoch positiv verlaufen, stünden die Chancen recht gut, dass sich das System auch beim Menschen bewährt, geben sich die Wissenschaftler zuversichtlich. Sie wollen sich weiterhin erst einmal auf das MRSA-Gift konzentrieren. Allerdings müsse man mit etwas abweichenden Ergebnissen rechnen, denn das alpha-Hämolysin verhält sich gegenüber menschlichen roten Blutkörperchen etwas anders als gegenüber denen von Mäusen. Später soll das Prinzip dann erweitert werden – und damit eine breit einsetzbare Therapieform begründen, die gegen alle möglichen Gifte eingesetzt werden kann.

Che-Ming Hu (University of California, San Diego) et al.: Nature Nanotechnology, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1038/nnano.2013.54 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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