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Bettwanzen in den Bohnen

Erde|Umwelt

Bettwanzen in den Bohnen
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Auf dem Vormarsch: Bettwanze Cimex lectularius. Bild: Thinkstock
Seit Jahrhunderten weiß man auf dem Balkan: Gegen Bettwanzen ist ein Kraut gewachsen, und zwar die Bohnenpflanze. Auf deren Blättern verfangen sich die lästigen Blutsauger nämlich bei ihren nächtlichen Beutezügen und können so am nächsten Morgen bequem entsorgt werden. Warum die Bohnenblätter so außerordentlich gut im Wanzenfangen sind, hat nun ein US-Forscherteam untersucht. Die Wissenschaftler haben auch gleich ausprobiert, ob sich solche Blätter auch künstlich herstellen lassen – allerdings mit eher mäßigem Erfolg.

Lange galten Bettwanzen dank der verbesserten Hygiene als Problem früherer Zeiten. In den vergangenen Jahren gelang den Parasiten jedoch ein fulminantes Comeback: Vor allem in den USA, aber auch in anderen Ländern tauchen sie immer häufiger auf, besonders betroffen scheinen dabei Hotels in Großstädten zu sein. Los wird man sie nur sehr schwer: Die kleine Tiere sind nicht nur sehr zäh und können lange ohne Futter auskommen, viele sind zudem mittlerweile resistent gegen die gängigen Pestizide.

Neue Lösungen des Wanzenproblems werden daher dringend gesucht – wenn möglich bitte nachhaltig und umweltfreundlich. Dabei sollte man sich auch einmal von der Vergangenheit inspirieren lassen, zeigt nun die aktuelle Studie von Megan Szyndler und ihren Kollegen. Sie untersuchten eine Methode, die man auf dem Balkan, vor allem in Bulgarien und Serbien, seit Jahrhunderten anwendet: Man legt abends rund um das Bett Bohnenblätter aus. Morgens sind selbige dann voll von Bettwanzen, die nachts auf dem Weg von ihren Verstecken zum Bett in den Blättern hängengeblieben sind. Anschließend lassen sich Blätter inklusive Wanzen dann einfach verbrennen.

Verantwortlich für diesen erstaunlichen Effekt werden bereits seit längerem winzige härchenartige Haken auf den Blattoberflächen gemacht, die sogenannten Trichome. Sie messen lediglich einen Hundertstel Millimeter im Durchmesser und sind maximal einen Zehntel Millimeter lang. Ob sich die Wanzen jedoch einfach in ihnen verheddern oder ob die Häkchen die Tiere auf eine andere Weise immobilisieren, war bislang unklar. Dieser Frage nahmen sich nun Szyndler und ihr Team an: Sie setzen einige Wanzen auf Bohnenblätter und beobachteten per Video, was mit den Tieren passierte.

Bereits nach wenigen Sekunden hatten sich die Insekten in den Härchen verhakt, zeigte die Auswertung. Meist kamen sie dann kurzfristig noch einmal frei, aber nach durchschnittlich neun Schritten blieben sie endgültig hängen – und zwar so fest, dass sie sich eine halbe Stunde später gerade einmal 3,2 Millimeter weiter bewegt hatten. Offenbar gibt es also zwei Festhalte-Mechanismen: einen kurzfristigen, reversiblen und einen dauerhaften, aus dem sich die Tiere nicht befreien können, schlussfolgert das Team.

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Der Blick ins Elektronenmikroskop offenbarte dann den Unterschied zwischen den beiden: Im ersten Fall hatten sich die Häkchen lediglich um die Beine der Tiere gelegt, ähnlich wie es bei einem Klettverschluss der Fall ist. Im zweiten Fall waren die scharfen Spitzen der Häkchen dagegen durch die Füße der Wanzen gedrungen und hatten diese regelrecht aufgespießt. Dabei schien es zwei besonders gefährdete Stellen zu geben: den untersten Teil des Fußes, an dem die Klauen befestigt sind, und die Verbindungen zwischen den Fußsegmenten, wo die Haut etwas dünner ist. Offenbar sind Länge und Form der Trichome an den Bohnenblättern also genau richtig, um diese empfindlichen Stellen treffen zu können, erläutern die Wissenschaftler.

Mit diesem Wissen im Hinterkopf versuchte das Team anschließend, die entsprechenden Strukturen künstlich herzustellen. Dazu fertigten sie einfach einen Negativabdruck einer Blattoberfläche an und gossen diesen dann mit verschiedenen Klebstoffen und Epoxidharzen aus, um unterschiedliche Materialeigenschaften testen zu können. Als sie darauf jedoch wiederum ihre Testwanzen herumlaufen ließen, folgte die Ernüchterung: Die Tiere spazierten trotz exakt gleicher Struktur und Form der Häkchen munter über die künstlichen Blätter. Lediglich einige wenige verhedderten sich hin und wieder einmal, aufgespießt wurde jedoch keine einzige Wanze.

Das galt sogar dann, wenn beim Abguss versehentlich einige echte Blatthäkchen in das Material eingebunden wurden. Die Natur lässt sich also offenbar nicht ganz so leicht in die Karten gucken wie gedacht, resümieren die Forscher. Sie vermuten, dass die künstlichen Häkchen im Vergleich zu den natürlichen zu unflexibel und starr waren, vor allem im Bereich des Stammes. Dadurch seien sie beim Darüberlaufen lediglich zur Seite gedrückt worden und hätten sich nicht ausreichend verbiegen können, um die empfindlichen Füße zu erreichen. Sie wollen ihr Design jetzt weiter verbessern, um schließlich doch noch den optimalen Wanzenfänger zu entwickeln.

Megan Szyndler (University of California, Irvine) et al.: Journal of the Royal Society Interface, doi: 10.1098/rsif.2013.0174 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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