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Fischige Völlerei

Erde|Umwelt

Fischige Völlerei
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Die Dolly-Warden-Forelle passt ihren Körper ans Nahrungsangebot an (Bild: M Bond/ University of Washington)
Eine in Alaska verbreitete Fischart entpuppt sich als Meister der Völlerei: Jedes Jahr im August schlingen die Dolly-Warden-Forellen Unmengen von Lachslaich in sich hinein – so viel, dass ihr Magen und Darm bis auf ihre vierfache Größe anschwellen. Ist dieses Megamahl jedoch verdaut, schrumpft ihr Verdauungstrakt wieder und bleibt den Rest des Jahres über so klein, dass kaum mehr etwas hineinpasst. Für eine Schlange wäre das nichts Besonderes, bei einem wildlebenden Fisch haben US-Forscher eine so extreme Anpassung an fette und magere Zeiten aber zum ersten Mal beobachtet.

Die Dolly-Warden-Forellen ( Salvelinus malma malma) gehören zu den engen Verwandten der Lachse. Die rund 60 Zentimeter großen Fische leben in den Flüssen des hohen Nordens, vor allem in Alaska und auch in Sibirien. Während die Jungtiere jeden Sommer flussabwärts ins Meer ziehen um dort zu fressen, bleiben die ausgewachsenen Forellen ganzjährig im Süßwasser. Dort ernähren sie sich die meiste Zeit des Jahres von Insekten und kleinen Wassertieren – Nahrung, die im Polarwinter und der Kälte Alaskas eher dünn gesät ist.

Einmal im Jahr, im August, herrscht jedoch in den Heimatgewässern der Dolly-Warden-Forellen schierer Überfluss. Denn dann kehren die ausgewachsenen Rotlachse aus dem salzigen Pazifik zurück in ihre Geburtsgewässer im Westen Alaskas. In den Flüssen und Strömen angelangt, graben die Lachsweibchen seichte Kuhlen und Nester in das Flussbett und legen darin ihren Laich ab. Im Alec River nahe des Chignik Lake seien es so viele, dass die Weibchen dabei regelmäßig aus Versehen die Gelege ihrer Artgenossinnen ausgraben, berichten Jonathan Armstrong und Morgan Bond von der University of Washington in Seattle. Für die in diesen Flüssen lebenden Dolly-Warden-Forellen ist damit das Buffet eröffnet: Wie lebende Staubsauger schwimmen sie den Flussgrund ab und schlürfen ein Ei nach dem anderen sich hinein. Rund ein halbes Pfund Laich könne ein Fisch auf diese Weise am Tag verschlingen, erklären die Forscher.

Magen und Leber vierfach vergrößert

Wie sich die Dolly-Warden-Forellen an diese extrem Völlerei anpassen, haben die Forscher jetzt erstmals genauer untersucht. Dazu fingen sie in drei aufeinander folgenden Jahren jeweils 20 Forellen vor Beginn der Lachssaison und direkt danach. Alle Tiere wurden getötet und ihre Organe genau vermessen und analysiert. „Die Fische, die sechs Wochen vor der Lachsaison gefangen wurden, hatten stark atrophierte Mägen, Därme und Lebern“, berichten Armstrong und Bond. Auch die Muskeln dieser Fische wiesen Zeichen für geringe Versorgung mit Nährstoffen und Energie auf. Anders dagegen nach dem „großen Fressen“: Der Darm der Forellen hatte Größe und Gewicht verdoppelt, Magen und Leber waren sogar vierfach größer als vorher. Selbst das Herz habe leicht an Masse zugenommen. „Das ist das erste Mal, dass man eine solche Flexibilität im Verdauungstrakt bei einem wildlebenden Fisch nachgewiesen hat“, sagen die Forscher.

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Für die Dolly-Warden-Forellen ist diese Anpassung überlebensnotwendig, denn ohne sie würden sie die nahrungsarme Zeit nicht überstehen, wie Armstrong und Bond erklären. Ein normalgroßer Verdauungstrakt verbrauche selbst bei einem ruhenden Tier rund 30 Prozent der Energie. Der Fisch muss mehr Kalorien aufbringen, um seinen Darm zu erhalten als für die Muskeln oder das Gehirn. Wenn die Dolly-Warden-Forellen aber das Gewebe ihres Magens und Darms teilweise resorbieren und so ihren Verdauungstrakt auf das Minimalmaß zusammenschrumpfen lassen, sparen sie einen Großteil dieser Energie. Diese Sparmaßnahme ermögliche es den Fischen, mit nur fünf Wochen Nahrung im Überfluss die karge Zeit im restlichen Jahr durchzustehen. „Sie leben dabei allerdings trotzdem hart an der Grenze des Möglichen“, sagt Bond. Die Strategie dieser Fische gleiche damit der von einigen extrem angepassten Wüstenpflanzen, die nach nur kurzer üppiger Regenzeit das ganze Jahr hindurch Trockenheit und Hitze überstehen.

Jonathan Armstrong und Morgan Bond (University of Washington, Seattle), Journal of Animal Ecology, doi: 10.1111/1365-2656.12066 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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