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Astronomisch messgenau

Astronomie|Physik

Astronomisch messgenau
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Diese Aufnahme zeigt die Große Magellansche Wolke. Die Positionen der acht seltenen kühlen Doppelsternsysteme ist mit Kreuzen markiert. Credit: ESO/R. Gendler
Wie lassen sich scheinbar unendliche Weiten am effektivsten erfassen? – offenbar mit Hilfe von kosmischen Zwillingen, wie internationale Forscher nun berichten: Durch ein raffiniertes Verfahren der Entfernungsbestimmung mit Hilfe von Doppelsternen konnten die Astronomen mit bisher höchster Genauigkeit auf die Distanz der Großen Magellanschen Wolke schließen. Die verfeinerten Entfernungsinformationen über diese Nachbargalaxie der Milchstraße verbessern nun das Wissen über kosmologische Distanzen generell und auch über die derzeitige Expansionsrate des Universums.

Grundsätzlich bestimmen Astronomen Abstände im Universum, indem sie zunächst die Entfernungen zu erdnahen Objekten erfassen und sie im Anschluss als Anhaltspunkte verwenden, um die Distanzen zu noch weiter entfernten Objekten im Kosmos zu ermitteln. Eine der Grundlagen dieser kosmischen Entfernungsleiter bildete dabei der Abstand der Erde zur Großen Magellanschen Wolke. Doch bisher konnten Astronomen deren Entfernung nur mit einem Ungenauigkeitsfaktor von fünf bis zehn Prozent bestimmen. Die Analysen der Forscher um Grzegorz Pietrzynski von der chilenischen Universidad de Concepción verringern diesen Faktor nun auf etwa zwei Prozent. Sie ermittelten jetzt einen Abstand von 163.000 Lichtjahren.

Die Verbesserung der Messgenauigkeit für unsere Distanz zur Großen Magellanschen Wolke ermöglicht im nächsten Schritt nun auch genauere Entfernungswerte für viele sogenannte Cepheidensterne. Diese hellen, pulsierenden Himmelskörper nutzen Astronomen ebenfalls als Anhaltspunkte (sogenannte Standardkerzen), um die Entfernungen weit entfernter Galaxien zu bestimmen. All diese Entfernungsinformationen lassen wiederum Rückschlüsse auf die derzeitige Ausdehnungsgeschwindigkeit des Universums zu, die als Hubble- Konstante bezeichnet wird. Dieser Wert ist eine der Grundlagen der Erforschung des Universums bis hin zu den fernsten Galaxien, die man mit den heutigen Teleskopen noch beobachten kann, erklären die Wissenschaftler.

Doppelsternsysteme als galaktische Leitpfosten

Um die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke neu zu bestimmen, richteten die Astronomen gezielt ihren Blick auf acht Doppelsterne in dieser Galaxie, deren Partner sehr eng beieinander stehen . Während ihres gegenseitigen Umlaufs sieht man die Sterne jeweils vor ihrem Partner vorbeiziehen. Von der Erde aus betrachtet sinkt dabei die Gesamthelligkeit des Doppelsystems ab, und zwar sowohl wenn der erste Stern vor dem zweiten vorbeizieht als auch umgekehrt. Über präzise Messungen dieser Helligkeitsänderungen und der Umlaufgeschwindigkeiten konnten die Forscher die Größe der Sterne, ihre Masse und weitere Informationen über ihre Umlaufbahnen ermitteln. Kombiniert man diese Informationen wiederum mit der Gesamthelligkeit und den Lichtfarben der Sterne, lässt sich ihre Entfernung sehr genau berechnen, erklären die Astronomen.

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Dieses Prinzip wurde zwar auch schon zuvor für Entfernungsmessungen benutzt, allerdings nur bei Doppelsystemen aus heißen Sternen. Sie liefern aber vergleichsweise ungenaue Daten, sagen die Forscher. Bei ihren acht Forschungsobjekten handelte es sich dagegen um sehr seltene Doppelsysteme, die aus zwei kühlen Roten Riesen bestehen. „Uns standen Teleskope und Instrumente zur Verfügung, die man benötigt, um sie zu erforschen: Der HARPS-Spektrograf für hochpräzise Radialgeschwindigkeitsmesungen schwach leuchtender Sterne und SOFI für Helligkeitsmessungen im infraroten Bereich”, erläutert Pietrzyñsk. Die Daten, die sie über die Doppelsysteme aus den Roten Riesen gewinnen konnten, ermöglichten weit präzisere Abstandsinformationen als bei früheren Untersuchungen. Die Forscher arbeiten nun daran, die Methode noch weiter zu verbessern und hoffen so innerhalb weniger Jahre auf eine Unsicherheit von nur noch einem Prozent für die Entfernung der Großen Magellanschen Wolke zu kommen. Das hätte weitreichende Auswirkungen auf viele Bereiche der Astronomie, betonen Pietrzyñsk und seine Kollegen.

Video: Diese Zoomfahrt beginnt mit einer Weitwinkelaufnahme des Südsternhimmels und nähert sich dann der Großen Magellanschen Wolke. In dieser Galaxie hat man mehrere seltene schwache und kühle sogenannte Bedeckungsveränderliche identifizieren können. Während ihres gegenseitigen Umlaufs sieht man die beiden Sterne von der Erde aus vor dem jeweils anderen vorbeiziehen. Während der Bedeckung verringert sich die Gesamthelligkeit. Über den Lichtwechsel können Astronomen zusammen mit weiteren Eigenschaften des Systems die Entfernungen von Bedeckungsveränderlichen sehr präzise bestimmen. Video Credit: ESO/Nick Risinger (skysurvey.org)/R. Gendler/L. Calçada. Music: movetwo

Grzegorz Pietrzynski von der chilenischen Universidad de Concepción et al.: Nature, doi:10.1038/nature11878 © wissenschaft.de – Martin Vieweg
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