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Erhöhtes Autismusrisiko durch Antidepressiva

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Erhöhtes Autismusrisiko durch Antidepressiva
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Auch eine Schwangerschaft stimmt nicht immer fröhlich. (Bild: iStock/woraput)
„Ich halte das nicht mehr aus…“ Wenn Depressionen zu stark werden, verschreiben Ärzte auch schwangeren Frauen Antidepressiva, denn bisher galt dies als wenig riskant für das Ungeborene. Doch nun kam eine umfangreiche statistische Studie zu einem alarmierenden Ergebnis: Durch die Einnahme von Antidepressiva während der Schwangerschaft erhöht sich das Risiko für die spätere Entwicklung einer Autismusstörung beim Kind um 87 Prozent. Besonders problematisch sind offenbar die weitverbreiteten Antidepressiva aus der Gruppe der selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer.

Die sozialen Antennen scheinen blockiert, das Verhalten befremdlich und die Kommunikation beeinträchtigt: Menschen mit ausgeprägten Autismus-Spektrum-Störungen fällt das Leben in der menschlichen Gemeinschaft schwer. Die Häufigkeit dieser Störung scheint in den letzten Jahrzehnten deutlich zugenommen zu haben: 1966 waren noch durchschnittlich 4 von 10.000 Kindern betroffen heutzutage sind es 100. Dieser starke Zuwachs ist zwar auch durch feinere Diagnoseverfahren zu erklären, doch viele Experten glauben, dass äußere Faktoren ebenfalls zu dem Anstieg beigetragen haben. „Die Ursachen von Autismus scheinen vielfältig und sind noch unklar, aber Studien haben gezeigt, dass sowohl Genetik als auch die Umwelt eine Rolle spielen können“, sagt  Anick Bérard of the University of Montreal. Deshalb sind sie und ihre Kollegen nun dem möglichen Effekt von Antidepressiva während der Schwangerschaft gezielt nachgegangen.

Umfangreiche Datenanalysen

Ihre Ergebnisse basieren auf der Auswertung einer umfangreichen kanadischen Datenerhebung zu 145.456 Schwangerschaften und den daraus hervorgegangenen Kindern bis zum Alter von zehn Jahren. Neben Informationen über die Verwendung von Antidepressiva bei der Mutter und Autismus-Diagnosen beim Kind, enthielten die Daten auch eine Fülle von Details, die das Team nutzen konnte, um andere mögliche Einflussgrößen auszuschließen. Beispielsweise zeichnet sich in manchen Familien eine erblich bedingte Neigung zu Autismus ab. Auch das Alter der Mutter und weitere Faktoren können dass Risiko für Autismus erhöhen, haben früher Studien gezeigt. Diese Faktoren konnten die Forscher bei ihren statistischen Analysen ausschließen, um allein den Effekt der Antidepressiva herauszuarbeiten.

„Wir definierten die Exposition des Kindes, wenn die Mutter während des zweiten oder dritten Trimester der Schwangerschaft eine oder mehrere Verschreibungen für Antidepressiva bekommen hat. Dieser Zeitraum gilt als kritische Phase bei der Hirnentwicklung des Kindes“, erklärt Bérard. Welche Kinder Autismus-Spektrum-Störungen entwickelten, erfassten die Forscher anhand von Krankenhaus-Daten über entsprechende Diagnosen. Anschließend führten die Forscher mit beiden Datensätzen statistische Auswertungen durch, um mögliche Zusammenhänge aufzudecken.

Besonders Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer scheinen problematisch

Das Ergebnis war ausgesprochen deutlich: „Es zeichnete sich ab, dass die Einnahme von Antidepressiva während des zweiten oder dritten Trimester der Schwangerschaft die Wahrscheinlichkeit fast verdoppelt, dass ein Kind im Alter von sieben mit Autismus  diagnostiziert wird“, resümiert Bérard. Besonders klar war der Zusammenhang nach Einnahme einer besonders weit verbreiteten Sorte von Antidepressiva – den sogenannten selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmern (SSRI), berichten die Forscher.

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„Es erscheint plausibel, dass Antidepressiva Autismus verursachen können, wenn sie zur Zeit der Entwicklung des kindlichen Gehirns in der Gebärmutter verwendet werden“, sagt Bérard. Ihr zufolge ist bekannt, dass Serotonin an zahlreichen prä- und postnatalen Entwicklungsprozessen beteiligt ist, einschließlich der Verknüpfungen zwischen den Gehirnzellen. Demzufolge könnten sich beispielsweise die selektiven Serotonin-Wiederaufnahme-Hemmer besonders ungünstig auf die frühe Hirnwicklung auswirken.

Die Forscher betonen nun die große Bedeutung ihrer Ergebnisse, denn das Ausmaß der Problematik ist groß: Sechs bis zehn Prozent der schwangeren Frauen werden derzeit wegen Depressionen mit Antidepressiva behandelt. Inwieweit die aktuellen Ergebnisse hier nun zu Veränderungen führen, bleibt abzuwarten. Bérard zufolge ist aber klar: „Das Aufdecken der Effekte dieser Medikamente auf die öffentliche Gesundheit hat wegen ihres weit verbreiteten Einsatzes höchste Priorität“, so die Forscherin.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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