Die Forscher um Rice haben nun Studien aus dem Bereich der Epigenetik und Ergebnisse zu den möglichen Ursachen von Homosexualität ausgewertet und daraus ein Model zur Entstehung von Homosexualität entwickelt. Demnach liegen homosexuellen Neigungen Schaltsysteme auf Genen zugrunde, die den Fötus im Mutterleib vor den Auswirkungen natürlicher Schwankungen in der Menge des männlichen Geschlechtshormons schützen. Weibliche Föten besitzen demnach feminine epigenetische Schalter, die verhindern, dass bei hohen Testosteronwerten männliche Entwicklungsprozesse in Gang kommen. Umgekehrt schützen die maskulinen Regelelemente davor, dass zu niedrige Werte des männlichen Hormons eine Verweiblichung auslösen.
Programmierte Vorlieben
Die Schalter werden normalerweise bei jeder neuen Generation gelöscht und dem Geschlecht des Fötus entsprechend neu gesetzt, erklären die Forscher. Doch möglicherweise nicht mit einheitlicher Effektivität: Bleibt der feminine Schalter im Erbgut der Mutter bei der Entstehung eines Jungen erhalten, so könnte das Hirnentwicklungen begünstigen, die im Sprössling zu einer eigentlich typisch weiblichen Vorliebe für das männliche Geschlecht führen. Lesbische Frauen könnten dagegen den Schalter des Vaters geerbt haben, mit entsprechendem Effekt.
Dieser Mechanismus scheint offenbar keine Seltenheit zu sein. Die Ergebnisse von Studien über die Häufigkeit von Homosexualität gehen zwar weit auseinander, es handelt sich aber definitiv nicht um ein ungewöhnliches Phänomen: Eine umfangreiche Erhebung aus Australien ergab beispielsweise, dass sich etwa acht Prozent der Menschen mehr zum eigenen Geschlecht hingezogen fühlen als zum anderen. Die tatsächlichen Zahlen bleiben allerdings im Dunkeln, da es durch den sehr unterschiedlichen kulturellen Umgang mit dem Thema zu starken Verfälschungen bei Umfragen kommt.
Teile der Lesben- und Schwulenbewegung distanzieren sich übrigens prinzipiell von jeglicher Ursachenforschung. Homosexualität werde dadurch oft als eine Art Krankheit dargestellt und ?Betroffene? stigmatisiert, so ihre Argumentation. Der Blick auf das Thema müsse auf jeden Fall stets wertfrei bleiben, betonen sie.