Massentierhaltung verschärft das Wettrüsten zwischen Mensch und Bakterien
Doch immer mehr zeigt sich: Die Wirkstoffe sind vergängliche Wundermittel. Der Mensch muss ständig neue Antibiotika entwickeln, denn die Krankheitserreger wappnen sich nach und nach mit Resistenz-Genen gegen die Substanzen und machen sie nutzlos. Der massive Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht begünstigt diese Entwicklung erheblich, warnen Experten schon lange. Wie raffiniert und effektiv Bakterien in der Lage sind, sich an Antibiotika anzupassen, belegt nun die Studie der Forscher um Edward Topp vom kanadischen Landwirtschaftsministerium einmal mehr.
Die Ergebnisse stammen aus einem Langzeitversuch, bei dem die Wissenschaftler herausfinden wollten, inwieweit Bodenbakterien Resistenzen gegen Antibiotika entwickeln, die über die Gülle-Düngung in ihren Lebensraum gelangen. Die Forscher behandelten dazu 14 Jahre lang Versuchsfelder mit verschiedenen Antibiotika in Mengen, die denen einer üblichen Gülle-Düngung entsprachen. Sie untersuchten dabei auch die Abbauraten der Wirkstoffe im Boden. Dabei zeigte sich eine Besonderheit: Das Antibiotikum Sulfamethazin wurde auf den Versuchsfeldern nach der jahrelangen Behandlung fünfmal besser abgebaut als in Böden, die erstmals dem Wirkstoff ausgesetzt wurden.
Untersuchungen der Gemeinschaft von Bodenbakterien in den Versuchsfeldern offenbarten schließlich, wer für den Abbau des Antibiotikums verantwortlich war: Es handelte sich um einen bestimmten Stamm eines Bodenbakteriums aus der Gattung Microbacterium Laborkulturen der Mikroben zeigten, dass sie in der Lage waren, auf einem Medium zu leben, bei dem die einzige Kohlenstoff- und Stickstoffquelle Sulfamethazin war. Die Bakterien können das Antibiotikum also zerlegen und die entsprechenden Nährstoffe für sich nutzen, erläutern die Forscher.
Normalerweise beruhen Resistenzen von Bakterien darauf, dass sie die Wirkstoffe aus ihren Zellen gezielt ausscheiden oder sie unschädlich machen. Eine Nutzung als Nahrungsquelle sei bis jetzt dagegen noch nicht beobachtet worden, sagen Edward Topp und seine Kollegen. Mittlerweile sind noch zwei weitere Microbacterium-Stämme aufgetaucht, die ebenfalls Hunger auf Sulfamethazin entwickelt haben. Deshalb glauben die Forscher, dass es sich um eine bereits weit verbreitete Anpassung unter den winzigen Bodenbewohnern handeln könnte.