Die Geologen um Katrina Kremer von der Universität Genf haben nun systematisch untersucht, was zu den dramatischen Ereignissen vor 1449 Jahren führte. Sie nutzten dazu seismische Informationen über die Strukturen im Bereich des Rhone-Deltas sowie Untersuchungen von Bohrkernen der Sedimente in diesem Bereich und Computersimulationen. Die Forscher konnten dadurch markante Strukturen identifizieren, deren Datierung eindeutig zu der Katastrophe im Jahr 563 passt.
Wenn ein Flussdelta ins Rutschen kommt
Den Auswertungen zufolge war die eigentliche Ursache des Tsunamis eine Verschiebung der Sedimentmassen im Delta der Rhone. Der Felssturz war nur der Auslöser: Der Druck des Gerölls hatte die instabilen Ablagerungen des Deltas ins Rutschen gebracht. Diese Bewegung erzeugte dann die Riesenwelle. Den Computersimulationen zufolge erreichte sie das Ufer, wo sich heute die Stadt Lausanne befindet, schon nach 15 Minuten mit einer Höhe von etwa 13 Metern. Genf verschlangen die Fluten dagegen erst nach etwa 70 Minuten. Hier war der Tsunami den Berechnungen zufolge noch ungefähr 8 Meter hoch.
Weitere Analysen der Forscher legen nahe, dass das Ereignis von 563 kein Einzelfall war, sondern Erdrutsche bereits zuvor zu ähnlichen Effekten geführt hatten. An der Gefährdung hat sich auch bis heute nichts geändert, betonen die Wissenschaftler: Die Rutsch-Anfälligkeit des Deltas der Rhone ist prinzipiell gleich geblieben. Würde sich heute im Genfer See ein Tsunami wie vor 1449 Jahren ereignen, wären die Folgen durch die dichte Besiedelung der Ufer verheerend, sagen die Forscher. Sie halten die Gefährdung durch Riesenwellen an Seeufern generell für weit unterschätzt, denn auch bei anderen Seen könnten ähnlich instabile Strukturen wie am Genfer See vorhanden sein. Die Entwicklung von entsprechenden Tsunami-Frühwarnsystemen für Binnengewässer sei deshalb sinnvoll, meinen Kremer und ihre Kollegen.