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Hirnlos clever

Erde|Umwelt

Hirnlos clever
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Schleimpilze besitzen kein Nervensystem, und dennoch können sie sich in einer komplexen Umgebung ?intelligent? bewegen, zeigen nun erneut Experimente eines internationalen Forscherteams. Den bizarren Wesen dient demnach ihre eigene Schleimspur als Informationsquelle, um Areale zu meiden, wo sie bereits nach Futter gesucht haben. Darüber berichten Chris Reid von der University of Sydney und seine Kollegen.

Schleimpilze gehören zu den seltsamsten Kreaturen der Erde. Sie sind weder Tier noch Pflanze und trotz ihres Namens auch keine Pilze. Sie haben stattdessen einen ganz eigenen, bizarren Lebensentwurf entwickelt: Ihr Körper ist eine schleimige Masse, die aus einer einzigen riesenhaften Zelle besteht, die Milliarden von Zellkernen besitzt. Dieses sogenannte Plasmodium bildet gliederartige Strukturen aus, mit denen es sich fortbewegen kann. Der einzellige Körper erreicht bei vielen Arten die Ausmaße einer menschlichen Hand. Mit einer Geschwindigkeit von etwa einem Zentimeter pro Stunde kriecht dieses wabernde Gebilde über den Untergrund – immer auf der Suche nach Fressbarem. Der schleimige Freak kann dabei Futterquellen in seiner Umgebung wahrnehmen und sich gezielt darauf zu bewegen, wie frühere Untersuchungen bereits gezeigt haben.

Ein waberndes Gebilde auf Futtersuche

Chris Reid und seine Kollegen haben das faszinierende Bewegungsverhalten der Schleimpilze nun am Beispiel der Art Physarum polycephalum erneut unter die Lupe genommen. Ihre Beobachtungen zeigten, dass die Wesen die eigene Schleimspur als Anhaltspunkt bei ihrer Navigation nutzen. Treffen sie auf diese Hinterlassenschaften, weichen sie aus, um nicht bereits bekannte Areale erneut abzusuchen oder im Kreis zu ?schleimen?. Sie können aber im Notfall durchaus flexibel reagieren: Sind sie von allen Seiten von Schleimspuren umgeben, überqueren sie diese schließlich doch, um vorwärts zu kommen.


Physarum polycephalum im Zeitraffer.

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Um dieses Verhalten noch genauer zu untersuchen, stellten die Forscher die Schleimer vor ein Problem: Sie wurden auf dem Trägermedium in U-förmige Hindernisse gesetzt, hinter deren Basis ein Zuckertropfen süße Locksignale aussandte. Der direkte Weg zum Futter war also versperrt ? die Schleimpilze mussten einen Weg aus dem U finden, um an den Zucker zu kommen. Wie sie sich dabei verhielten, dokumentierten die Forscher mit Kameraaufnahmen. Erst näherte sich die wabernde Masse zielstrebig dem Zuckertropfen. Am unteren Ende der Barriere angekommen, kam es dann zu einem Richtungswechsel entgegen dem Locksignal. Anschließend tasteten sich die Schleimpilze suchend voran, bis sie schließlich einen Weg um die Barriere fanden.

Externes Navigationssystem

Die Schleimspuren dienten dabei als Orientierungshilfe. Das wurde besonders deutlich, wenn die Forscher den Versuch mit einem Trägermedium wiederholten, das bereits voller Schleimspuren war. Hier hatten die Schleimpilze deutliche Orientierungsschwierigkeiten. Im Schnitt brauchten sie 10 Mal so lange um zum Zuckertropfen zu finden. Die Forscher beschreiben das Konzept der Schleimpilze als eine Art externes Gedächtnis: Sie speichern Informationen über die Vergangenheit in Form ihrer Schleimspur ab.

Chris Reid (University of Sydney) et al.: PNAS, doi: 10.1073/pnas.1215037109 © wissenschaft.de ? Martin Vieweg
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