Zu testen, was wirklich an den angeblichen Wunderkräften von Epicatechin dran ist, ist jedoch schwierig: Aufgrund der Vielzahl an Einflussfaktoren auf das Gedächtnis beim Menschen sei es nahezu unmöglich, die Wirkung eines einzelnen Stoffes nachzuweisen, betont Ken Lukowiak von der University of Calgary, der die aktuelle Studie betreut hat. Deswegen setzten er und seine Mitarbeiter nicht auf menschliche Probanden, sondern auf tierische ? und zwar auf Lymnaea stagnalis, die Spitzhornschnecke.
Die Gedächtniskapazität der schleimigen Weichtiere ist zwar beschränkt, aber man kann ihnen beibringen, unter bestimmten Bedingungen ein bestimmtes Verhalten zu zeigen. Normalerweise strecken die Tiere nämlich ihre Atemöffnung aus dem Wasser heraus, wenn der Sauerstoffgehalt darin sinkt. Stupst man diese Atemöffnung beim Herausstrecken nun mehrmals hintereinander an, lernen die Schnecken, sie geschlossen zu halten. Wie gut sie sich das merken, hängt davon ab, wie intensiv sie trainiert werden, sagt Lukowiak. Eine halbe Stunde Training beispielsweise erzeugt einen Lerneffekt von maximal drei Stunden.
Anders sieht es aus, wenn man Epicatechin ins Wasser gibt: Bei einer Menge von 15 Milligramm pro Liter Teichwasser bleibt die Erinnerung nicht drei Stunden, sondern länger als einen ganzen Tag im Schneckenhirn haften, stellten die Forscher fest. Bei zwei Trainingseinheiten erinnerten sich die Tiere sogar drei Tage später noch an das Gelernte. Zudem blieben die Erinnerungen nicht nur länger im Gedächtnis, sondern waren auch fester verankert, zeigten weitere Tests.
Erstaunlich war, dass Epicatechin diese Effekte offenbar anders hervorrief als die Forscher ursprünglich angenommen hatten: Es brauchte weder einen Input von einem Sinnesorgan noch den Gehirnbotenstoff Serotonin, um die Gedächtnisverbesserung auszulösen. Bislang hat man immer angenommen, dass die Erinnerungsbildung bei Schnecken grundsätzlich über einen dieser Wege laufe. Das muss nun kritisch geprüft werden.
Wie genau Epicatechin wirkt, können die Wissenschaftler noch nicht sagen. Es scheint jedoch direkt auf das zentrale Nervensystem der Weichtiere zu wirken. Möglicherweise fängt es als Antioxidans aggressive Sauerstoffverbindungen ab ? landläufig als freie Radikale bekannt ? und verhindert so Schäden an den beteiligten Nervenzellen, vermutet das Team. Alternativ könnte es auch bestimmte Enzyme aktivieren, die bei der Erinnerungsbildung helfen. Welche Erklärung stimmt, wollen die Forscher als nächstes untersuchen.
Die Studie habe auf jeden Fall gezeigt, dass Epicatechin tatsächlich das Gedächtnis verbessern kann und dass die Wasserschnecke ein gutes Modell ist, um diesen Effekt zu untersuchen, resümieren die Forscher. Wer den Effekt selbst testen will, sollte übrigens nicht zur Milchschokolade, sondern ausschließlich zu dunklen, kräftigen Sorten greifen: Frühere Untersuchungen haben nämlich gezeigt, dass die Milch in der hellen Schokolade eventuelle positive Effekte aufhebt. Und wer keine Schokolade mag, kann auch grünen Tee, Rotwein oder Blaubeeren wählen ? die enthalten ebenfalls Epicatechin.