Mutationen einer Erbanlage namens Atoh1 könnten eine zentrale Rolle beim Plötzlichen Kindstod spielen, haben US-Forscher durch Untersuchungen an Mäusen herausgefunden. Das Gen ist offenbar an der Regulation des Atemreflexes beteiligt, dem eine Schlüsselrolle beim Plötzlichen Kindstod zugeschrieben wird. Atoh1 ist in einer Hirnregion aktiv, die in einer weiteren aktuellen Studie mit dem Plötzlichen Kindstod in Verbindung gebracht wurde. Vermutlich lassen sich die Ergebnisse aus den Untersuchungen am Mausmodell also auf den Menschen übertragen, sagen die Forscher um Wei-Hsiang Huang vom Baylor College of Medicine in Houston.
Der Plötzliche Kindstod ist die häufigste Todesursache im Kindesalter jenseits der Neugeborenenperiode. Im Jahr 2005 starben in Deutschland 323 Babys auf diese abrupte Weise. Ein Versagen des Atemreflexes gilt bereits seit einiger Zeit als Ursache. Normalerweise löst das Gehirn eine Art Alarm aus, wenn der Kohlendioxidgehalt im Blut ungewöhnlich stark ansteigt, beziehungsweise die Sauerstoffkonzentration absinkt. Eine Art Notsignal löst dann verstärkte Atemzüge aus und dient auch als Aufwach-Reiz. Den aktuellen Theorien zufolge, versagt dieses System bei manchen Säuglingen, was eine tödliche Unterversorgung mit Sauerstoff zufolge hat.
Die Forscher konnten nun zeigen, dass neugeborene Versuchstiere an einer Art Plötzlichem Kindstod starben, wenn die Erbanlage Atoh1 auf gentechnischem Wege blockiert war. Etwa die Hälfte der Mäuse starb kurz nach der Geburt und die übrigen wiesen bleibende Störungen der Atemfunktion auf. Weitere Analysen der Forscher zeigten, dass die Tiere mit ausgeschaltetem Atoh1 ungewöhnliche Nervenstrukturen in einem Hirnbereich namens retrotrapezoider Nucleus, kurz RTN, besaßen, der mit dem Atemzentrum vernetzt ist.
Zu diesen Ergebnissen passt exakt eine ebenfalls aktuelle Studie italienischer Forscher: Anna Lavezzi von der Universität Mailand und ihre Kollegen haben die Gehirne von 58 am Plötzlichen Kindstod verstorbenen Säuglingen analysiert. Sie stellten dabei fest: 71 Prozent der Kleinen besaßen Fehlbildungen im RTN. Weitere Untersuchungen sollen die Zusammenhänge nun weiter aufklären.
Wei-Hsiang Huang (Baylor College of Medicine in Houston) Neuron, doi: 10.1016/j.neuron.2012.06.027 © wissenschaft.de ?
Martin Vieweg