Gelöst haben die Wissenschaftler diese Herausforderung mit ihren winzigen Kügelchen – 1.000 davon wären zusammen so breit wie ein menschliches Haar. Sie besitzen einen Kern mit Gewebestruktur, in dem die Wirkstoffmoleküle getrennt voneinander eingeschlossen sind, und eine weiche, gelartige Schale. Diese gibt den Nanolipogelen auch ihren Namen. Alle Materialien des NLG sind, vergleichbar mit selbstauflösenden Fäden in der Chirurgie, also biologisch abbaubar und scheinen gut verträglich zu sein. Im Versuch mit Mäusen ließen sich keine Nebenwirkungen feststellen. Ob die NLGs aber tatsächlich für den Menschen ungefährlich und geeignet sind, muss in weiteren Studien festgestellt werden.
Für die ebenfalls problematische Adressierung der Medikamentenpakete machten sich die Forscher eine Besonderheit von Krebsgewebe zunutze: Das Gefäßsystem eines Tumors ist ungeordneter und verzweigter als die normalen Blutbahnen im Körper. Die NLGs sind zwar klein genug, um quer durch den Körper zu reisen, bleiben aber in dem Labyrinth der engen und sich kreuzenden Krebs-Gefäße stecken. Somit sammeln sie sich in den Blutgefäßen des Tumors, selbst wenn sie nicht dort injiziert wurden. Nach einigen Tagen löst sich dann die Außenhaut der Kügelchen auf und die Medikamente wirken direkt dort, wo sie gebraucht werden: Mitten im Herz des Tumors .
Die Medikamente, die die Forscher in diesem Doppelpack auslieferten, haben völlig unterschiedliche Arbeitsbereiche: Eines ist ein Hemmstoff für den sogenannten Transformierenden Wachstumsfaktor-β, kurz TGF-β. Es handelt sich dabei um ein Signalmolekül des Tumors, mit dem dieser das Immunsystem verwirrt und die körpereigene Abwehr bremst. Das zweite Medikament, das das Team mit den NLGs beförderte, ist das Zytokin Interleukin-2 (IL-2). Dieses Protein alarmiert das Immunsystem und stärkt so die körpereigene Abwehr. Der Wirkstoffdoppelpack verhindert also zum einen, dass der Tumor weiterhin das Immunsystem unterdrückt und verbessert zum anderen die Durchschlagskraft der Körperabwehr.
Die Doppelschlag-Methode hat sich zumindest im Labor bereits bewährt: Die Forscher verabreichten ihre NLGs Mäusen, die an einem der bösartigsten Krebsarten, dem schwarzen Hautkrebs, litten. Dabei zeigten sich beeindruckende Ergebnisse, berichtet das Team: Im Vergleich zu Mäusen, die gar kein oder nur eines der beiden Medikamente bekamen, entwickelten die Versuchstiere kleinere und weniger Tumoren. Alle Tiere, die mit beiden Medikamenten in den NLGs behandelt wurden, überlebten, und bei vierzig Prozent bildete sich der Tumor komplett zurück. Tarek Fahmy und seine Kollegen hoffen nun, dass ihr System bald menschlichen Patienten zugutekommen kann. Sie sind sich zudem sicher, dass neben den beiden getesteten Wirkstoffen auch andere Medikamente in den NLGs transportiert werden können.