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Doppelschlag gegen Krebs

Technik|Digitales

Doppelschlag gegen Krebs
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Die Nanolipogele (hellblau) geben IL-2 (grün) ab, welches das körpereigene Immunsystem aktiviert (lila). Die kleinen blauen Punkte sind das Medikament, welches TGF-β inhibiert. Foto: Nicolle Rager Fuller, NSF
US-Forscher haben in Tierversuchen ein neuartiges Medikamentensystem erfolgreich getestet, das Wirkstoffe gezielt zu Tumoren bringen kann. Es basiert auf sogenannten Nanolipogelen (NLGs) – kleinen, mit Medikamenten gefüllten Kügelchen mit gelartiger Oberfläche, die über den Blutkreislauf ins Tumorgewebe gelangen und dort ihre Ladung ausschütten. Die Wissenschaftler um Tarek Fahmy von der Yale University beluden diese Kügelchen mit zwei Krebsmedikamenten, die sich normalerweise nur schwer kombinieren lassen, und steigerten dadurch den Erfolg der Krebs-Therapie im Mausmodell.

Das Problem mit der herkömmlichen Verabreichung vieler Arzneimittel ist, dass man nicht steuern kann, wo genau sie am Ende landen: Die Wirkstoffe arbeiten überall im Körper und konzentrieren sich nicht auf den Krebs allein, was unter anderem zu unerwünschten Nebenwirkungen führen kann. Zudem reicht es meist nicht aus, nur an einer Front gegen die entarteten Zellen zu kämpfen. Die fettumhüllten Kügelchen können eine Lösung für beide Probleme bieten, sagen die Wissenschaftler: Sie bringen die Medikamente genau da hin, wo sie benötigt werden, und sie machen es möglich, mehrere Wirkstoffe gleichzeitig zu transportieren. Im Test der Wissenschaftler waren es zwei, die unterschiedlicher kaum sein könnten: Die Moleküle des einen sind wasserlöslich und groß, die des anderen dagegen wasserabweisend und verhältnismäßig klein. Bei einer solchen Kombination ist es normalerweise nötig, die Medikamente hintereinander zu verabreichen, was allerdings meist zu Lasten ihrer Durchschlagskraft geht.

Gelöst haben die Wissenschaftler diese Herausforderung mit ihren winzigen Kügelchen – 1.000 davon wären zusammen so breit wie ein menschliches Haar. Sie besitzen einen Kern mit Gewebestruktur, in dem die Wirkstoffmoleküle getrennt voneinander eingeschlossen sind, und eine weiche, gelartige Schale. Diese gibt den Nanolipogelen auch ihren Namen. Alle Materialien des NLG sind, vergleichbar mit selbstauflösenden Fäden in der Chirurgie, also biologisch abbaubar und scheinen gut verträglich zu sein. Im Versuch mit Mäusen ließen sich keine Nebenwirkungen feststellen. Ob die NLGs aber tatsächlich für den Menschen ungefährlich und geeignet sind, muss in weiteren Studien festgestellt werden.

Für die ebenfalls problematische Adressierung der Medikamentenpakete machten sich die Forscher eine Besonderheit von Krebsgewebe zunutze: Das Gefäßsystem eines Tumors ist ungeordneter und verzweigter als die normalen Blutbahnen im Körper. Die NLGs sind zwar klein genug, um quer durch den Körper zu reisen, bleiben aber in dem Labyrinth der engen und sich kreuzenden Krebs-Gefäße stecken. Somit sammeln sie sich in den Blutgefäßen des Tumors, selbst wenn sie nicht dort injiziert wurden. Nach einigen Tagen löst sich dann die Außenhaut der Kügelchen auf und die Medikamente wirken direkt dort, wo sie gebraucht werden: Mitten im Herz des Tumors .

Die Medikamente, die die Forscher in diesem Doppelpack auslieferten, haben völlig unterschiedliche Arbeitsbereiche: Eines ist ein Hemmstoff für den sogenannten Transformierenden Wachstumsfaktor-β, kurz TGF-β. Es handelt sich dabei um ein Signalmolekül des Tumors, mit dem dieser das Immunsystem verwirrt und die körpereigene Abwehr bremst. Das zweite Medikament, das das Team mit den NLGs beförderte, ist das Zytokin Interleukin-2 (IL-2). Dieses Protein alarmiert das Immunsystem und stärkt so die körpereigene Abwehr. Der Wirkstoffdoppelpack verhindert also zum einen, dass der Tumor weiterhin das Immunsystem unterdrückt und verbessert zum anderen die Durchschlagskraft der Körperabwehr.

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Die Doppelschlag-Methode hat sich zumindest im Labor bereits bewährt: Die Forscher verabreichten ihre NLGs Mäusen, die an einem der bösartigsten Krebsarten, dem schwarzen Hautkrebs, litten. Dabei zeigten sich beeindruckende Ergebnisse, berichtet das Team: Im Vergleich zu Mäusen, die gar kein oder nur eines der beiden Medikamente bekamen, entwickelten die Versuchstiere kleinere und weniger Tumoren. Alle Tiere, die mit beiden Medikamenten in den NLGs behandelt wurden, überlebten, und bei vierzig Prozent bildete sich der Tumor komplett zurück. Tarek Fahmy und seine Kollegen hoffen nun, dass ihr System bald menschlichen Patienten zugutekommen kann. Sie sind sich zudem sicher, dass neben den beiden getesteten Wirkstoffen auch andere Medikamente in den NLGs transportiert werden können.

Tarek Fahmy (Yale University) et al.: Nature Materials, doi:10.1038/nmat3355 © wissenschaft.de ? Sabine Kurz
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