Anzeige
1 Monat GRATIS testen, danach für nur 9,90€/Monat!
Startseite »

Was HIV-Infizierten die Erinnerung raubt

Erde|Umwelt Gesundheit|Medizin

Was HIV-Infizierten die Erinnerung raubt
Viele HIV-Infizierte können mit Hilfe antiretroviraler Medikamente ein fast normales Leben führen. Einige von ihnen entwickeln jedoch im Lauf der Zeit eine Demenz ? obwohl sie ansonsten keine Anzeichen für den Ausbruch einer Aids-Erkrankung zeigen. Warum das so ist, haben jetzt Forscher der Georgetown-Universität in Washington entdeckt: Die HI-Viren infizieren nicht direkt die Nervenzellen im Gehirn, sondern sie blockieren einen Wachstumsfaktor, der für die Zellen überlebenswichtig ist. Ohne ihn schrumpfen sie und können nicht mehr miteinander kommunizieren.

Der Wachstumsfaktor BDNF (engl. ?vom Gehirn stammender neurotropher Faktor“) wird von den Nervenzellen des Gehirns in einer unreifen Vorstufe, dem proBDNF, produziert. Anschließend wird er bei gesunden Menschen direkt vor Ort von einem Protein gespalten und es entsteht das eigentliche, reife BDNF. Dieser Vorgang ist sehr wichtig für den Organismus, da die unreife Form im Prinzip genau das Gegenteil von dem macht, was die reife tut: Sie treibt die Hirnzellen in den programmierten Zelltod statt die Verzweigung der Nerven zu fördern.

Bereits frühere Studien hatten darauf hingewiesen, dass bei HIV-Infizierten mit Demenz das Verhältnis zwischen proBDNF und BDNF aus dem Gleichgewicht gerät. Das Team um Alessia Bachis hat diesen Zusammenhang nun genauer unter die Lupe genommen. Dazu untersuchten die Forscher zunächst Nervenzellen von Ratten und anschließend die Gehirne von verstorbenen HIV-Infizierten. Sie maßen dabei vor allem den Gehalt der zwei Formen des Wachstumsfaktors im Hippocampus, in Teilen des Frontallappens der Großhirnrinde und in bestimmten Bereichen der Grauen Substanz des Gehirns. Die Ergebnisse verglich das Team schließlich mit denen von HIV-Patienten ohne Demenz und von gesunden Menschen.

Dabei zeigte sich: Ein bestimmtes Protein auf der Oberfläche von HI-Viren senkt die Umwandlungsrate von proBDNF zum reifen BDNF deutlich ab. Dadurch ist mehr proBDNF vorhanden. Der darauf folgende programmierte Zelltod führt dann dazu, dass der Nervenzellfortsatz, das Axon, abgebaut wird. Ohne diesen Fortsatz können die Zellen nicht mehr miteinander kommunizieren – sie sterben ab und der Patient bekommt allmählich motorische Schwierigkeiten und Probleme beim Erlernen von neuen Dingen sowie beim Versuch, sich an etwas zu erinnern.

Die Ergebnisse sollen in erster Linie helfen, HIV-Patienten besser zu behandeln. Italo Mocchetti , einer der beteiligten Forscher, sieht beispielsweise die Möglichkeit, dass man künftig dank des neuen Wissens die HIV-assoziierte Demenz medikamentös angreift: ?Man könnte etwa ein kleines Molekül nutzen, um den Rezeptor zu blockieren, den das proBDNF benötigt, um die Nervenzellen abzutöten?, sagt Mocchetti. Doch er sieht auch noch weiterreichende Anwendungsmöglichkeiten: ?Wenn das bei HIV-assoziierter Demenz funktioniert, dann könnte es auch bei anderen Krankheiten, die das Gehirn betreffen und durch proBDNF verursacht werden, wirken.? Es gebe schon länger Hinweise darauf, dass ein BDNF-Defizit ein Risikofaktor bei chronischen Krankheiten wie Parkinson oder der Huntington-Krankheit ist. Mocchettis Fazit: ?Diese Erkenntnisse sind sehr wichtig für Grundlagenforscher und Mediziner, weil sie einen neuen Weg zum Verständnis und der Behandlung einer möglicherweise weit verbreiteten Ursache von Demenz aufzeigen.?

Anzeige
Italo Mocchetti (Georgetown University Medical Center) et al.: The Journal of Neuroscience; doi: 10.1523/JNEUROSCI.0865-12.2012 © wissenschaft.de ? Gesa Seidel
Anzeige

Wissenschaftsjournalist Tim Schröder im Gespräch mit Forscherinnen und Forschern zu Fragen, die uns bewegen:

  • Wie kann die Wissenschaft helfen, die Herausforderungen unserer Zeit zu meistern?
  • Was werden die nächsten großen Innovationen?
  • Was gibt es auf der Erde und im Universum noch zu entdecken?

Hören Sie hier die aktuelle Episode:

Aktueller Buchtipp

Sonderpublikation in Zusammenarbeit  mit der Baden-Württemberg Stiftung
Jetzt ist morgen
Wie Forscher aus dem Südwesten die digitale Zukunft gestalten

Wissenschaftslexikon

Rup|tur  〈f. 20; Med.〉 das Zerreißen von Gefäßen, Sehnen, Muskeln od. inneren Organen (Herz~, Muskel~) [<lat. ruptura … mehr

De|ro|ga|ti|on  〈f. 20; Rechtsw.〉 1 Beeinträchtigung, Beschränkung 2 (teilweise) Aufhebung eines Gesetzes durch ein neues … mehr

feinschnei|den  auch:  fein schnei|den  〈V. t. 224; hat〉 sehr klein schneiden … mehr

» im Lexikon stöbern
Anzeige
Anzeige
Anzeige