Als die heutigen Wüstengebiete Nordafrikas noch fruchtbar waren, bereicherten Milchprodukte den Speiseplan der dortigen Menschen. Das belegen nun Untersuchungen von Keramikfunden aus Libyen: Ein internationales Forscherteam konnte in Tongefäßen aus dem 5. Jahrtausend v. Chr. Spuren von Milchprodukten nachweisen. Diese Erkenntnis vervollständigt nun das Bild von der Viehhaltung der prähistorischen Menschen in der Sahara.
Wo heute die Glut der Sonne nur Sand und Steine übrig lässt, grasten einst Rinderherden auf grünen Weiden: Vor 7.000 Jahren war die Sahara noch nicht der Inbegriff einer Wüstenregion, sondern ein deutlich feuchteres Klima sorgte für Fruchtbarkeit. Hier lebten Menschen, die bereits Tongefäße herstellten und von der Viehzucht lebten, wie eindrucksvolle Kunstwerke dokumentieren: Felsmalereien in der gesamten Region zeigen eindeutige Darstellungen von Rindern im Zusammenhang mit Menschen. Bisher blieb allerdings unklar, ob die Hirtenvölker neben dem Fleisch der Tiere auch die Milch als Nahrungsmittel nutzten. Die frühesten Nachweise der Verwendung von Milchprodukten stammen aus Anatolien und werden auf das 7. Jahrtausend v. Chr. datiert. Die aktuellen Untersuchungen zeigen nun eine frühe Nutzung dieser Nahrungsquelle auch im Norden Afrikas.
Die Milch hat Spuren hinterlassen
Die Forscher um Julie Dunne von der University of Bristol haben für die Untersuchungen Proben von Keramiken analysiert, die bei Ausgrabungen im Tadrart Acacus Gebirge in Libyen gefunden wurden. Was sich einst in den entsprechenden Gefäßen befand, hat offenbar Rückstände hinterlassen, die die Jahrtausende überstehen konnten: Mit modernen Methoden haben die Forscher Fettsäuren identifiziert, die eindeutig von Milchprodukten stammen. Bei der Hälfte aller untersuchten Keramiken fanden sie diese einschlägigen Rückstände.
Den Forschern zufolge haben die damaligen Menschen die Milch in den Gefäßen möglicherweise bereits fermentieren lassen ? sie also zu Joghurt oder Ähnlichem verarbeitet. Bei diesem Prozess geht der Gehalt an Milchzucker deutlich zurück. Auf diese Weise könnten sie die Milchprodukte leichter verträglich gemacht haben, denn vermutlich besaßen die damaligen Menschen eine Laktoseintoleranz, wie heute die meisten Bevölkerungsgruppen der Welt. Milchzuckerverträglichkeit hat sich vermutlich erst später bei einigen Völkern als Anpassung an die intensive Nutzung von Milch als Nahrungsmittel entwickelt. Vor allem in Europa besitzen die meisten heute lebenden Menschen die entsprechenden Enzyme zur Verdauung von Milchzucker.
Julie Dunne (University of Bristol) et al.: Nature, doi:10.1038/nature11186 © wissenschaft.de –
Martin Vieweg