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Weihnachten: Woher kommen Ochs und Esel?

Geschichte|Archäologie

Weihnachten: Woher kommen Ochs und Esel?
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Krippe: Ochs und Esel sind immer dabei (Grafik: bennymarty/iStock)
In vielen Weihnachtsliedern und in fast allen Krippen-Darstellungen kommen sie vor: Ochs und Esel, die beiden tierischen Zeugen von Jesu Geburt. Aber warum? Denn von diesen beiden Tieren ist nirgendwo im Neuen Testament der Bibel die Rede. Erwähnt werden nur Hirten und ihre Schafe. Ein Historiker ist der Sache auf den Grund gegangen und erklärt, warum selbst „verbotene“ Texte unsere Sicht biblischen Geschehens bis heute prägen.

Schon seit Jahrhunderten gehören Ochs und Esel zum festen Inventar der Weihnachtskrippen. Sie finden sich auf frühmittelalterlichen Fresken ebenso wie in Glasfenstern von Kirchen und natürlich als geschnitzte Krippenfiguren. Doch im Lukasevangelium, das uns die klassische Weihnachtsgeschichte erzählt, tauchen diese Tiere gar nicht auf. Dort ist nur von einem Stall und einer Futterkrippe die Rede, in die Maria ihr neugeborenes Kind legt. Später kommen dann Hirten mit ihren Schafen vom nahegelegenen Feld. Und auch in anderen Evangelien gibt es weder Ochs noch Esel. Nach Deutung einiger Historiker gehen die beiden Tiere auf das Alte Testament zurück, auf einen Vers im Buch Jesaja, in dem es heißt: „Der Ochse kennt seinen Besitzer und der Esel die Krippe seines Herrn; Israel aber hat keine Erkenntnis, mein Volk hat keine Einsicht.“ Demnach wären beide Tiere an der Krippe allegorisch, als Hinweis auf den besonderen Status des Kindes in der Krippe.

Ausgeschlossen, aber nicht vergessen

Aber es gibt noch eine andere Erklärung: alternative Texte aus der biblischen und frühchristlichen Zeit. Zu diesen gehören gleich mehrere nicht in den offiziellen Bibelkanon aufgenommene Evangelien und andere Schriften. Als die frühen Kirchenväter den Kanon der offiziellen Bibel zusammenstellten, wurden viele dieser Texte außen vorgelassen. Übrig blieben nur die vier heute bekannten Evangelien des Lukas, Markus, Matthäus und Johannes. Außen vor blieb auch das sogenannte Pseudo-Matthäus-Evangelium. Diese Textsammlung berichtet ausführlich aus der Kindheit Jesu – und erwähnt auch Ochs und Esel an der Krippe. „Es gibt diesen Mythos, dass alle anderen Evangelien und Geschichten ab dem Jahr 400 zerstört wurden oder verloren gingen“, erklärt der Historiker Philip Jenkins von der Baylor University in Waco.

Doch neuere Erkenntnisse zeigen etwas ganz anderes, wie der Forscher berichtet. Demnach hatten alternative biblische Erzählungen noch bis zur Reformation großen Einfluss – selbst in kirchlichen Kreisen. So ist schon länger bekannt, dass der Dominikanermönch Jacobus de Voragine um 1264 eine Sammlung von biblischen Geschichten in lateinischer Sprache herausgab, die sich als Volksbuch in ganz Europa verbreitete. In diesem nahm er auch einige Geschichten aus dem Pseudo-Matthäus-Evangelium auf – auch die vom Ochs und Esel. Diese Legenden des Jacobus dienten im Mittelalter und in der Renaissance als Basis für Gedichte und wurden als Mysterienspiele aufgeführt. „Selbst Shakespeare könnte sie in seiner Kindheit noch gesehen haben“, berichtet Jenkins. „Sie verschwanden erst, als er Teenager war.“

Gleichzeitig blieben auch auf andere Weise die alternativen Versionen biblischer Geschichten lebendig: „In Irland nutzten die Menschen noch lange Zeit Evangelien, von denen sie gar nicht wussten, dass sie nicht zum offiziellen Kanon gehören“, so Jenkins.  Und in der orthodoxen Kirche haben sich einige der apokryphen Texte sogar bis heute erhalten. „Einige gehören in der äthiopischen Kirche zum offiziellen Kanon, einer der ältesten Kirchen der Welt“, sagt der Historiker. Seiner Ansicht nach erklärt dies sehr gut, warum sich Ochs und Esel als Krippentiere so ubiquitär ausgebreitet haben: Diese Tiere waren dem einfachen Volk wohlbekannt, konnten aber gleichzeitig von kirchlichen Kreisen auf ihre alttestamentarischen Wurzeln zurückgebracht werden. „Selbst wenn ein Text vermeintlich verschwindet, bleiben seine Worte und Bilder oft erhalten, wenn sie ein allgemeines Bedürfnis erfüllten“, erklärt Jenkins. „Nachfrage übertrumpft eben selbst Zensur.“

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Quelle:

© wissenschaft.de – Nadja Podbregar
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