„Die Kamera kann nicht nach Lust und Laune ausgerichtet werden. Dass sie gerade in die richtige Richtung schaute, war reiner Zufall?, sagt Georg Fischer vom Institut für Weltraumforschung der Österreichischen Akademie der Wissenschaften in Graz. Er ist der Erstautor der jetzt in der renommierten Fachzeitschrift nature veröffentlichten Saturnsturm-Studie. ?Da die Analyse der Fotos dauern würde, begann ich sofort einen Aufruf an ein weltweites Netzwerk von Amateur-Astronomen. Diese sollten bitte die Gewitterwolke im Auge behalten?, erinnert sich Fischer. ?Eine echte ‚Blitzaktion‘ sozusagen.“
Fischers Engagement hat sich gelohnt, denn so konnte die heftige Sturmentwicklung verfolgt werden. „Bereits drei Wochen nach der Entdeckung erstreckte sich der Sturm auf über 10.000 Kilometer. Zwei Monate später reichte er einmal um den ganzen Planeten. Und jetzt, sieben Monate nach der Entdeckung, umfasst er die Fläche von vier Milliarden Quadratkilometern. Das ist das Achtfache der Erdoberfläche“, verdeutlicht Fischer die gewaltige Größenzunahme.
Cassini hat auch die Blitzaktivitäten anhand der dabei freigesetzten Radiostrahlung analysiert. Diese als Saturn Electrostatic Discharges (SED) bezeichneten Radiowellen treten gewöhnlich als einzelne kurze Emissionen auf. Nicht so dieses Mal: Die Blitze folgten so rasch aufeinander, dass Cassini eine fast kontinuierliche Radioemission gemessen hat ? von teilweise über zehn Blitzen pro Sekunde.
Der Sturm ist etwa 500 Mal größer als der bisher von Cassini beobachtete Rekordhalter, der einige Monate von 2009 bis 2010 durch die Atmosphäre tobte. Insgesamt hat die Sonde seit 2004 bereits zehn ausgedehnte Gewitterfronten entdeckt. Alle früheren wüteten auf der Südhalbkugel, auf der Sommer herrschte und wo die volle Sonnenstrahlung einfiel, ohne Beschattung durch die Ringe. Um den August 2009 herum wechselte die Haupteinstrahlung der Sonne auf die Nordhalbkugel, als dort der Frühling begann. Die Stürme hängen demnach von der Jahreszeit ab. Darüber hatten Fischer und andere Forscher bereits spekuliert. Für Fischer sind daher nicht nur die Dimensionen des Sturms beeindruckend, sondern auch sein Ort und Timing: „Ein Saturn-Jahr dauert 29,5 irdische Jahre, und Cassini hat Saturn seit 2004 im Visier. Damals wurden Gewitter nur auf der Südhalbkugel beobachtet. Im August 2009 begann das Saturn-Frühjahr. Ich hatte vermutet, dass damit die Gewitterstürme auf die Nordhalbkugel wechseln würden. Dass es nur kurz dauerte, bis diese Hypothese Unterstützung fand, hat mich selbst überrascht.“
Auch Andrew Ingersoll vom California Institute of Technology in Pasadena ist von der saturnalischen Vehemenz beeindruckt: ?Cassini zeigt uns, dass Saturn bipolar ist. Also nicht wie die Erde oder Jupiter, wo Stürme auf beiden Hemisphären häufig sind. Das Saturn-Wetter summt sozusagen lange gemütlich vor sich hin und bricht dann plötzlich gewaltig aus.?