Als erstes nahmen er und sein Team sich embryonale Stammzellen vor. Diese Zellen stammen aus Embryonen in einem sehr frühen Entwicklungsstadium und sind pluripotent, das heißt, sie können sich in nahezu jede Art von Körperzelle verwandeln. Wurden diese Zellen Mäusen implantiert, die zu dem gleichen Stamm gehörten wie der Embryo, von dem die Zellen stammten, bildeten sich in den Empfänger-Tieren Teratome ? Gewebewucherungen, die verschiedene spezialisierte Zellarten enthalten. Diese Tumoren sind so typisch, dass ihr Auftreten häufig sogar als Test dafür genutzt wird, ob es sich bei den verpflanzten Zellen tatsächlich um pluripotente Stammzellen handelt. Bekamen dagegen die Mäuse des anderen Stammes die Stammzellen, entstanden die Teratome erwartungsgemäß nicht. Der Grund: Das Immunsystem der Tiere erkannte das Gewebe als nicht zum Körper gehörend und bekämpfte es, so dass es schließlich abstarb.
Im zweiten Schritt wiederholten die Wissenschaftler dann diesen Versuch mit umprogrammierten Hautzellen, die meist als „induzierte pluripotente Stammzellen“ (iPS) bezeichnet werden. Sie verwendeten dazu Zellen, die auf zwei verschiedene Arten erzeugt worden waren: Die erste Variante entstand nach dem ursprünglichen Rezept von Yamanaka und seinen Kolllegen, die mit Hilfe eines Virus vier Gene ins Erbgut der Hautzelle einschleusten. Für die zweite Variante verwendeten die Forscher dagegen eine sehr viel neuere Methode, in der kein fremdes Erbmaterial in die Zellen gelangt. Vielmehr werden hier mit Hilfe von elektrischer Spannung die Proteine, deren Bauplan die Umprogrammierungsgene tragen, ins Innere der Zelle gebracht. Anschließend wurden beide Zellsorten beiden Mausstämmen implantiert.
Überraschenderweise bildeten sich nach der Transplantation der iPS in den meisten Fällen keine Teratome ? selbst dann nicht, wenn die Zellen aus der gleichen Linie stammten wie die Empfängermaus, schreiben die Forscher. Und in den wenigen Fällen, in denen die Wucherungen doch entstanden, wurden sie vom Immunsystem der Empfängertiere angegriffen, so dass sie mit der Zeit abstarben. Diese Abstoßungsreaktion war bei den iPS, die nach dem Originalrezept erzeugt worden waren, deutlich stärker als bei der anderen Variante.
Xu und sein Team erklären sich den unerwarteten Effekt damit, dass das Umprogrammieren Spuren in Erbgut der Zellen hinterlässt, selbst wenn keine fremden Gene eingeschleust werden. So sind beispielsweise einige Gene nach der Prozedur ungewöhnlich aktiv ? und genau diese scheinen die Hauptziele der Immunattacken zu sein, beobachteten die Forscher. Allerdings waren nicht alle Zellen der Teratome gleich problematisch: Laut Xu lösten nur einige wenige der spezialisierten Zelltypen die Immunreaktion aus. Welche das sind, wollen die Wissenschaftler als nächstes untersuchen.
Aufgrund dieser Ergebnisse halten die Forscher es für dringend erforderlich, das immunaktivierende Potenzial der umprogrammierten Zellen umfassend zu erforschen ? und zwar bevor ihr Einsatz in klinischen Studien überhaupt in Betracht gezogen wird. Dennoch glauben weder Xu noch seine Kollegen, dass die aktuelle Studie den Todesstoß für eine mögliche Therapie mit iPS bedeutet. Die Hautzellen in der aktuellen Studie stammten beispielsweise ebenfalls von Mäuse-Embryonen, während normalerweise die Zellen erwachsener Tiere verwendet werden. Es sei durchaus möglich, dass sich letztere völlig anders verhalten, sagen die Forscher. Zudem haben die Wissenschaftler nicht getestet, ob auch spezialisierte Zellen, die aus den iPS erzeugt werden, das Immunsystem auf den Plan rufen. Genau dieser Test würde jedoch am ehesten das potenzielle klinische Vorgehen simulieren, denn eine Transplantation würde wohl mit spezialisierten und nicht mit den ursprünglichen Zellen durchgeführt. Man müsse jetzt vor allem versuchen, den Umprogrammierungsprozess so zu optimieren, dass er möglichst wenig Spuren im Erbgut hinterlässt, resümiert Xu.