In den letzten Jahren konnte das Stromnetz nur marginal an die heutigen Erfordernisse angepasst werden. Eine Ursache dafür ist die unklare Lage, wie man mit Einsprüchen der Bürger umzugehen hat. Gebaut wurden in den letzten fünf Jahren nur 90 Kilometer neue Stromfernleitungen, Hunderte von Kilometern werden aber zukünftig nötig sein. Aktuell wird deshalb über einen Bundesnetzplan diskutiert ? als Bestandteil des neuen Energiekonzeptes der Bundesregierung ?, der stärker partizipativ angelegt ist und dazu führen soll, dass der Netzausbau beschleunigt werden kann.
Viele Bürger scheren sich inzwischen nicht mehr um Gesetze und bekämpfen auch rechtmäßig entstandene Entscheidungen. Glauben Sie wirklich, dass sich daran bald etwas ändert?
Solange nicht klar ist, wie sich einzelne Projekte in den Gesamtzusammenhang einordnen, sind solche Proteste nicht verwunderlich. Wir brauchen deshalb einen gesellschaftlichen Konsens über die Eckpfeiler unserer künftigen Energieversorgung. Der Druck, diesen Konsens zu erreichen, ist durch Fukushima größer geworden. Die Politik hat erkannt, dass die Öffentlichkeit bei großen Vorhaben besser als früher beteiligt werden muss. Viele Umweltverbände sind bereit, sich aktiv für Infrastrukturmaßnahmen einzusetzen, wenn die Gesamtrichtung stimmt.
Gibt es Argumente, die gegen unterirdische Leitungen sprechen?
Weniger als die Energieversorger immer wieder beteuern. Obwohl sie fünf bis zehn Mal soviel kosten wie herkömmliche Leitungen, dürften sie künftig dort eine Lösung bringen, wo es unüberwindbar viele Widersprüche zum Landschafts- und Naturschutz gibt. Mehr noch: Wenn man dadurch ein langjähriges Genehmigungsverfahren abkürzen kann, spart man an anderer Stelle Kosten ein. Unter Gesamtgesichtspunkten könnte eine unterirdische Verkabelung damit gar nicht mehr so viel teurer sein.
Welcher Part kommt Stromspeichern künftig zu?
Bei Pumpspeicherkraftwerken, die heute insbesondere in südlichen Bundesländern und in Österreich zum Einsatz kommen, haben wir nur begrenzte Möglichkeiten zur Erweiterung. Druckluftspeicher sind eine Option, lassen sich aber sicher nicht von heute auf morgen in großer Zahl realisieren. Eine dritte Möglichkeit ist Stromspeicherung über chemische Energie ? beispielsweise durch die elektrolytische Erzeugung von Wasserstoff. Diese Variante ist interessant, weil man den Wasserstoff direkt in das Erdgasnetz einspeisen und so eine bestehende Infrastruktur nutzen kann. Überschussstrom aus Windenergie lässt sich dadurch leicht auffangen.
Ausstieg aus der Kernenergie bis 2018 oder sogar schon 2015: Wie beurteilen Sie diese Ziele unter dem Blickwinkel leistungsfähiger Stromnetze?
Wie die Gegenwart beweist, kommen wir ohne die stillgelegten älteren Kernkraftwerke gut aus. Um uns vollständig von der Kernenergie zu verabschieden, brauchen wir zwischen fünf bis zehn Jahren ? auch um den Ausstieg klimaneutral zu gestalten. Ein großer Beitrag dazu kann über die Stromeinsparung realisiert werden, die im Übrigen auch beim Netzausbau Erleichterung bringen wird. Nach den Berechnungen des Wuppertal Instituts lassen sich zwischen 20 und 30 Prozent des derzeitigen Stromverbrauchs in den nächsten fünf bis zehn Jahren durch den Einsatz der effizientesten Technologien bereits im Rahmen des üblichen Erneuerungszyklus einsparen.