Die erneute Datierung eines Neandertalerfossils stellt die bisherigen Vermutungen zum Aussterben der Urmenschen infrage: Möglicherweise sind sie bereits 10.000 Jahre früher verschwunden als bisher angenommen und haben somit auch kürzer parallel zum modernen Menschen existiert. Zu diesem Ergebnis kommt ein internationales Forscherteam um den irischen Archäologen Ron Pinhasi vom University College in Cork.
Mit Hilfe einer neuen Technologie konnten die Wissenschaftler Proben aus dem Inneren eines fossilen Knochens gewinnen. Er gehörte einem Neandertaler-Kind, das einst in der Mezmaiskaya-Höhle im Nordkaukasus lebte. Mit aufwendigen Verfahren haben die Archäologen Reste von Kollagen aus dem Knochen isoliert. Der darin gebundene Kohlenstoff eignet sich ideal für eine Altersbestimmung nach der C-14-Methode. Das Ergebnis der Analyse: Das Neandertalerkind lebte nicht, wie zuvor angenommen, vor etwa 30.000, sondern vor 39.700 Jahren. Frühere Studien sind zu jüngeren Datierungen gekommen, weil das Fossil durch jüngere Partikel kontaminiert worden war, vermuten die Forscher.
Das Ergebnis könnte nach Ansicht der Wissenschaftler darauf hindeuten, dass der Neandertaler zumindest im Kaukasus schon deutlich früher ausgestorben ist als angenommen. Eine Koexistenz von modernem Menschen und seinem Vetter gab es also hier möglicherweise nicht oder nur ein paar Jahrhunderte lang, spekulieren die Archäologen. Ihnen zufolge könnten auch zahlreiche andere Fossilien, Artefakte und Proben aus der mittleren und frühen Jungsteinzeit bisher zu jung datiert worden sein.
Der Neandertaler war einst in ganz Europa, Teilen Asiens und des Nahen Ostens verbreitet. Wann genau er letztendlich dem modernen Menschen die Bühne überließ und was der Grund für sein Verschwinden war, ist seit langem strittig. Bisher vermuteten Experten, dass zumindest im nördlichen Kaukasus Neandertaler und moderner Mensch einige Zeit Nachbarn waren. ?Unsere Ergebnisse stützen diese These nicht?, erklärt Ron Pinhasi. ?Es ist möglich, dass das auch für die meisten anderen Regionen Europas gilt.?
Das internationale Forscherteam um den irischen Archäologen Ron Pinhasi vom University College in Cork präsentiert die Studie in der Fachzeitschrift „PNAS“, doi: 10.1073/pnas.1018938108. wissenschaft.de ?
Martin Vieweg