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Für und wider Atomenergie

Erde|Umwelt

Für und wider Atomenergie
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Bild: Wolfram Huncke, ehemaliger Chefredakteur von bild der wissenschaft
Fukushima hat einmal mehr bewiesen, dass von Großtechnik eine Bedrohung ausgeht. Die Diskussion darüber wurde in bild der wissenschaft bereits Anfang der 1980er-Jahre vehement geführt, wie dieses Gespräch mit dem damaligen Chefredakteur Wolfram Huncke belegt.

?Nachhaltigkeit? ist heute das Schlagwort, wenn es um umweltverträgliches Wirtschaften geht. Vor drei Jahrzehnten, als der Begriff in dieser Bedeutung noch gar nicht geboren war, lieferten sich der bdw-Gründungsherausgeber Heinz Haber und der Journalist Robert Jungk engagierte Rededuelle. Wolfram Huncke veröffentlichte soeben den von ihm moderierten Dialog als Buch.

Welche Rolle spielte Umweltverträglichkeit in den Gedanken von Professor Heinz Haber? War er technikgläubig, wie so viele seiner Generation?
Er war nicht technikgläubig, aber davon überzeugt, dass die von Naturwissenschaftlern ersonnene Technik zum Wohl des Menschen genutzt werden kann. Er war sich darüber im Klaren, dass jede Technik Risiken birgt. Er glaubte aber, dass die Risiken durch geeignete Maßnahmen vom Menschen beherrscht werden können.

Von 1983 bis 1985 lieferte er sich oft große Rededuelle mit Robert Jungk. Wie wurden die beiden aufeinander aufmerksam?
Haber und Jungk waren seit 1949 befreundet. Jungk war damals für sein Buch ?Die Zukunft hat schon begonnen? auf Recherchetour an der US-Air-Force-School in Randolph Field, Texas. Der dortige PR-Offizier erkannte Jungks deutschen Akzent. ?Dort drüben?, sagte er, ?sitzen ein paar verrückte Krauts. Die wollen zum Mond fliegen.? Haber war einer von ihnen.

Wie war die Beziehung der beiden Kontrahenten?
Sie war sehr persönlich geprägt, die beiden waren gut befreundet. Jungk sagte mir immer wieder, wie sehr er es Haber verdanke, so viel über Naturwissenschaften gelernt zu haben. Und Haber meinte, Bob ? wie er ihn nannte ? könne machen was er will. ?Und wenn Bob wieder mal Milch verschüttet hat in der Öffentlichkeit, putze ich sie auf?.

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Welche Rolle spielte die Nutzung der Kernenergie bei Haber, welche bei Jungk?
Das Atom for Peace der Amerikaner war für Haber konsequent ? und er war überzeugt von der Idee, Kernkraftwerke zu bauen, natürlich unter einem Höchstmaß an Sicherheitsvorkehrungen. Jungk dagegen war geprägt von den Atombombenabwürfen auf Hiroshima und Nagasaki. Er sagte: ?Diese Technik ist nicht menschengerecht!? Deswegen hat er nach den Atombombenabwürfen Zeit seines Lebens gegen die Kernenergie gekämpft.

Jungk war entschieden für die atomare Abrüstung und stand bei Demonstrationen mehrfach in vorderster Linie neben Heinrich Böll oder Walter Jens. Wie beurteilte Haber dieses Engagement?
Er hat manchmal mit dem Kopf geschüttelt und mich gefragt: ?Warum macht das Bob eigentlich?? Viel wichtiger war ihm die Arbeit an der Kolumne ?Wissenschaft und Gesellschaft? in bild der wissenschaft, die Jungk ab 1972 verfasst hat. Diese Kolumne hatte das Ziel darzulegen, welche Folgen Technik für die Gesellschaft haben kann.

Die Risiken der Industriegesellschaft wurden in den von Ihnen moderierten Disputen immer wieder thematisiert. Waren die Rollen dabei fest vergeben, war Haber der Bewahrer und Jungk der Ankläger?
Keineswegs. Themen wie das Wachstum der Erdbevölkerung, der Mangel an Wasser, der Hunger und die schlechte medizinische Versorgung in vielen Ländern haben beide in dieser Zeit immer wieder sehr bewegt. Man darf nicht vergessen, dass Haber neben seinen Büchern über die Astronomie sich ab 1973 mit der Umweltproblematik beschäftigt hatte. Anders als Haber war Jungk allerdings der Auffassung, dass die Kernenergie Sicherungssysteme braucht, die tief in eine demokratische Struktur eingreifen und diktatorischen Kräften Platz machen.

Haber war Anfang 1985 der Meinung, der Menschheit sei es noch nie so gut gegangen. Jungk bestritt dies vehement. Artete die Diskussion nach solchen Meinungsverschiedenheiten aus, wurden die beiden beleidigend?
Beleidigt haben sie sich nie. Doch beim Kapitel ?Kernenergie? wurden beide einmal so laut, dass ich den Disput nach einer halben Stunde abgebrochen habe, weil ich sah, dass zu diesem Zeitpunkt deren Freundschaft in Gefahr war.

Haber war der erste erfolgreiche Wissenschaftsjournalist im deutschen Sprachraum. Was war sein Geheimnis?
Er hatte eine unglaubliche persönliche Ausstrahlung, Dinge zu erklären, sie glaubwürdig darzustellen. Er sprach die Sprache des Volkes und übersetzte das Fachchinesisch der Wissenschaftler in Umgangssprache. Er war ein glänzender Redner ? nach dem Motto: Sag den Menschen erst einmal, was sie schon alles wissen, ehe du mit Neuem kommst, vermittle ihnen aber auch dann nicht mehr als drei oder vier Neuigkeiten, damit sie das neu gewonnene Wissen auch nach Hause tragen können.

Was hat Wolfram Huncke bewogen, die rund 30 Jahre zurückliegenden Dispute jetzt als Buch herauszugeben?
Haber und Jungk stehen für Wissen, Weisheit und Werte. Beide waren stets daran interessiert, die Jugend zu verstehen und sie in die Diskussion einzubeziehen. Ihre Gedanken sind heute so frisch wie damals. Deshalb habe ich mich entschlossen, die in den Jahren 1983 bis 1985 von mir initiierten Dispute, die bisher nirgendwo nachzulesen waren, jetzt zu veröffentlichen.

Quelle: Wolfram Huncke (Hrsg.) Gestern ist heute, Heinz Haber und Robert Jungk im Disput um die Zukunft, S. Hirzel Verlag, Stuttgart 2011 wissenschaft.de ? Wolfgang Hess
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