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Punktsieg für die Dunkle Energie

Astronomie|Physik

Punktsieg für die Dunkle Energie
Ein US-amerikanisches Astronomenteam hat mit dem Hubble-Weltraumteleskop genauer als je zuvor gemessen, wie schnell sich unser Universum ausdehnt. Die Expansionsrate, die sogenannte Hubble-Konstante, ist damit auf 3,3 Prozent genau bekannt. Die neuen Daten geben den Astronomen bedeutende Einblicke in die Natur des Universums. So kann jetzt ausgeschlossen werden, dass sich die Milchstraße im Zentrum eines riesigen Leerraums befindet – eine Möglichkeit, die sich bislang nicht überprüfen ließ. Das wiederum stärkt die Hypothese, dass eine mysteriöse Dunkle Energie, die eine Art Anti-Schwerkraft-Effekt verursacht, die Ausdehnung des Weltraums antreibt.

Seit der amerikanische Astronom Edwin Hubble 1929 entdeckte, dass sich der Weltraum ausdehnt, zählt die Bestimmung der Hubble-Konstante zu den bedeutendsten Aufgaben der modernen Kosmologie. Ihr Wert ist wichtig für die Berechnung grundlegender Eigenschaften des Universums, etwa seines Alters, seiner Zusammensetzung, seiner Geometrie und seiner Zukunft. Bevor das Hubble-Weltraumteleskop 1990 ins All geschossen wurde, war die Hubble-Konstante nur ungenau bekannt – der Unsicherheitsfaktor lag bei 2. Sie zu präzisieren, war eine Hauptaufgabe des Weltraumteleskops. Und das glückte im Lauf der Jahre immer besser: 1999 betrug die Unsicherheit nur noch10 Prozent. Mit der neuen Kamera WFC3 (Wide Field Camera 3), die Astronauten 2009 ins Teleskop eingebaut hatten, gelang den Wissenschaftlern um Adam Riess nun ein weiterer wichtiger Schritt vorwärts.

Grundlage für den neuen Erfolg sind die WPC3-Messungen der Helligkeit von über 600 Cepheiden-Sterne in sichtbaren und nahen Infrarot-Wellenlängen – mehr als die Hälfte davon wurden dabei zum ersten Mal vermessen. Cepheiden sind pulsierende Sterne mit periodischen Helligkeitsschwankungen. Sie lassen sich zur Entfernungsbestimmung besonders gut verwenden, was schon Edwin Hubble ausnutzte. Außerdem konnte Riess mit seinen Kollegen einen zweiten Distanzindikator in den acht inspizierten Galaxien nutzen: Supernovae vom Typ Ia. Diese Sternexplosionen haben alle eine ähnliche und gut untersuchte Helligkeit. Die Kombination aller Messungen mit derselben Kamera hat viele systematische Fehler eliminiert, die bislang für Unsicherheiten sorgten, erläutern die Forscher.

Der neue und bislang beste Wert für die Hubble-Konstante beträgt 73,8 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec. Das bedeutet, dass sich der Weltraum über eine Strecke von einem Megaparsec – das sind 3,26 Millionen Lichtjahre – in jeder Sekunde um 73,8 Kilometer vergrößert. Diese Expansion findet nicht innerhalb der Galaxien statt, die von der Schwerkraft zusammengehalten werden, sondern nur in den Leerräumen zwischen den Galaxienhaufen. Die Ausdehnung ist vergleichbar mit dem aufgehenden Teig eines Rosinenkuchens: Alle Rosinen – die Galaxienhaufen – streben voneinander fort, wenn das Teigvolumen – der Raum- zunimmt. Allerdings dehnt sich der Weltraum nur „innerlich“ aus, nicht etwa in eine umgebende Leere – da hinkt der Kuchen-Vergleich.

Die neuen Messungen haben schon jetzt weitreichende Konsequenzen. Das betrifft vor allem die mysteriöse Dunkle Energie. Ihre Existenz nehmen viele Kosmologen seit 1998 an. Damals hatten zwei Forscherteams – eines unter Mitwirkung von Riess – entdeckt, dass ferne Supernovae Ia lichtschwächer sind als erwartet. Das deutet darauf hin, dass sich der Weltraum schneller ausdehnt als berechnet. Mehr noch: Die Expansion verlangsamt sich nicht aufgrund des „bremsenden“ Schwerkraft-Einflusses der Galaxien, wie bis dahin angenommen, sondern sie wird immer schneller. Das könnte durch den „Antischwerkraft-Effekt“ der Dunklen Energie verursacht werden. Die einfachste Erklärung dafür ist die schon 1917 von Albert Einstein in die Kosmologie und Relativitätstheorie eingeführte Kosmologische Konstante.

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„Wir haben unsere neue Kamera im Hubble-Weltraumteleskop wie die Radarpistole eines Polizisten eingesetzt, um zu messen, wie schnell das All ist“, sagt Riess. „Es sieht ganz so aus, dass es die Dunkle Energie ist, die aufs Gaspedal drückt.“ Denn die neuen Messungen sprechen gegen eine theoretische Alternative zur Dunklen Energie: Wenn sich die Milchstraße nahe beim Zentrum einer riesigen kosmischen Blase befände – einer rund acht Milliarden Lichtjahre großen Region ungewöhnlich geringer Materiedichte -, dann würde das die beschleunigte Ausdehnung nur vortäuschen. In Wirklichkeit würde sich der Weltraum somit gar nicht immer schneller ausdehnen. Stattdessen wäre die Hubble-Konstante in unserer weiträumigen Nachbarschaft einfach nur größer als im sehr fernen Universum. Auf die Annahme der Dunklen Energie könnte dann verzichtet werden.

Zwar hielten die meisten Kosmologen die Blasen-Hypothese für extrem unwahrscheinlich, doch widerlegen ließ sie sich nicht. Allerdings wäre für sie eine Hubble-Konstante von höchstens 60 bis 65 Kilometer pro Sekunde und Megaparsec erforderlich. Das haben die neuen Daten nun ausgeschlossen. Die Astronomen werden die Dunkle Energie also nicht los. Indessen ist Riess optimistisch, in wenigen Jahren die Präzision der Messungen noch verdoppeln zu können, um die Natur des ominösen Gaspedals im Kosmos besser zu verstehen.

Adam Riess (Space Telescope Science Institute und der Johns Hopkins Universität, Baltimore) et al: Astrophysical Journal, Ausgabe vom 1. April, im Druck Mehr zur Kosmologie und zur mysteriösen Dunklen Energie: bild der wissenschaft 4/2010: Weltall in der Schockstarre ===Rüdiger Vaas: „Hawkings neues Universum. Wie es zum Urknall kam“, Kosmos 2010 dapd/wissenschaft.de – ===Rüdiger Vaas
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