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Namen mit Pfiff

Erde|Umwelt

Namen mit Pfiff
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Ruf mit Pfiff - Delfine sprechen ihre Artgenossen manchmal mit ihrem Namen an. Bild: Thinkstock
Delfine haben Namen. Nein, nicht „Flipper“ und Co, sondern eigene: Jeder einzelne identifiziert sich über eine ganz individuelle Abfolge von Pfeiflauten, an der ihn seine Artgenossen eindeutig erkennen können. Hin und wieder kommt es jedoch auch vor, dass andere Delfine die persönliche Pfeifsignatur kopieren – warum, war bisher völlig unklar. Sprechen sie damit eine Herausforderung aus? Wollen sie die Bindung zum Kopierten stärken? Oder geben sie sich gar als jemand anders aus? US-Forscher haben sich nun einmal genauer angesehen, wer wen wann nachahmt – und sind sich jetzt (fast) sicher: Es handelt sich um eine referenzielle Kommunikationsform. Sprich: Die Tiere rufen sich gegenseitig beim Namen.

Bereits in ihrer Kindheit hören Delfine genau hin: Sie lauschen den Geräuschen und Lauten ihrer Umgebung, versuchen, sie nachzuahmen und zu modifizieren, und entwickeln so mit der Zeit eine ganz persönliche, charakteristische Lautfolge – ihren Signaturpfiff. Diesen nutzen sie fortan, um sich ihren Artgenossen zu erkennen zu geben. Aufnahmen belegen, dass etwa die Hälfte aller Pfeiflaute der Meeressäuger diese Signaturpfiffe sind. Delfine sagen also immer wieder ihren eigenen Namen vor sich hin, könnte man dieses Verhalten interpretieren.

Konkurrenz? Täuschung? Vertrauensbeweis?

In seltenen Fällen kommt es jedoch auch einmal vor, dass ein Artgenosse den Signaturpfiff kopiert. Ein ähnliches Verhalten gibt es bei Vögeln: Auch hier ahmen die Männchen gerne einmal den Gesang eines anderen nach, meist direkt nachdem der andere sein Lied beendet hat. In diesen Fällen ist das Kopieren ein Anzeichen für Konkurrenz, sei es nun um potenzielle Partnerinnen, Territorien oder Ressourcen: Es warnt den anderen davor, sich mit einem anzulegen. Dabei stellt sich laut den Wissenschaftlern die Frage: Ist das Nachahmen bei den Delfinen auch ein Anzeichen für Aggressionen? Oder wollen sie möglicherweise sogar ihre Artgenossen täuschen, indem sie sich als jemand ausgeben, der sie gar nicht sind?

Um das zu klären, wertete das Team um den erfahrenen Delfinforscher Vincent Janik von der Universität im schottischen St. Andrews nun einen großen Datensatz aus. Er stammt aus den Jahren 1984 bis 2009 und bezieht sich auf eine Gruppe von Delfinen, die in der Sarasota Bay vor der Westküste Floridas leben. Sie werden seit über 40 Jahren wissenschaftlich begleitet, beobachtet und registriert. Dazu werden immer wieder einzelne Tiere, Paare oder kleine Gruppen isoliert, kurzfristig eingefangen und untersucht. Die Daten, die Janiks Team verwendete, entstanden ebenfalls während dieser kurzen Phasen der Gefangenschaft. Zusätzlich nutzen die Forscher Informationen über vier Delfinmännchen, die ständig in einer Forschungseinrichtung leben.

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Wer mit wem wie oft

Im ersten Teil erstellten die Wissenschaftler eine Art Beziehungsverzeichnis für die einzelnen Tiere: Sie bewerteten, wer wie häufig mit wem zusammen war und vergaben für jedes Paar Werte zwischen 0 und 1. Je höher der Koeffizient dabei war, desto enger war die Beziehung zwischen zwei Delfinen. Anschließend untersuchten die Forscher, ob sich während der kurzen Einfangphasen Anzeichen für ein Kopieren von Signaturpfiffen finden ließen. Dazu nutzten sie einen Katalog, in dem die charakteristischen Pfiffe von mehr als 250 Delfinen erfasst waren, und verglichen deren Struktur mit den aufgezeichneten Lauten der untersuchten Tiere. Als letztes verrechneten sie dann die Häufigkeit potenzieller Signaturkopien mit dem Beziehungsstatus zwischen zwei Delfinen.

Das Ergebnis: Insgesamt waren Imitationslaute eher selten. Lediglich bei 10 von 179 Paarungen kamen sie überhaupt vor. Doch diese Paare hatten offenbar sehr innige Beziehungen: Ihr Beziehungskoeffizient lag bei 0,8 – der Durchschnitt bei den nicht kopierenden Paaren betrug dagegen nur 0,4. Die meisten waren Mutter-Kind-Gespanne, in zwei Fällen beobachteten die Forscher das Imitieren jedoch bei Männchen-Männchen-Paaren. Meist erklangen die nachgeahmten Pfiffe direkt, innerhalb weniger Sekunden, nachdem der Partner seinen Signaturpfiff ausgestoßen hatte.

Ein bisschen von der eigenen Persönlichkeit

Interessanterweise wandelten die Imitatoren die Pfiffmuster beim Kopieren jedoch ganz leicht ab, beobachteten die Forscher. Das sei mit Sicherheit nicht auf ein Unvermögen zurückzuführen – Delfine sind ausgesprochen gut darin, andere Laute zu imitieren. Vielmehr scheine es Absicht gewesen zu sein, vielleicht um die Kopie eindeutig als solche zu kennzeichnen. Zum Teil hätten die Nachahmer auch Teile ihrer eigenen Signaturpfiffe in die abgewandelten Versionen einfließen lassen. Das lasse es äußerst unwahrscheinlich erscheinen, dass sich die Kopierenden mit dem fremden Pfiff als jemand anders ausgeben wollten, resümieren die Forscher. Denn in diesem Fall hätten die Nachahmer auf absolut exakte Kopien geachtet. Aggressionen seien ebenfalls kein einziges Mal im Zusammenhang mit den kopierten Pfiffen aufgetreten, so dass man sie als Anlass für das Imitieren ebenfalls ausschließen könne.

Zusammenfassend lasse das eigentlich nur den Schluss zu, dass sich die kopierten Pfiffe direkt an den Träger der Signatur richteten – und dass der Nachahmer diesem zu verstehen gebe, wer ihn da rufe. Referenzielle Kommunikation nennen die Forscher dieses Verhalten. Man könnte auch sagen: Die Delfine rufen gegenseitig ihre Namen – allerdings nur dann, wenn es sich an einen engen Vertrauten richtet und auch nur im äußersten Notfall. Delfine sind damit neben dem Menschen die einzigen Lebewesen, bei denen ein solches Verhalten jemals beobachtet wurde.

Stephanie King (University of St. Andrews) et al.: Proceedings of the Royal Society B, doi: 10.1098/rspb.2013.0053 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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