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Haltlose Muscheln

Erde|Umwelt

Haltlose Muscheln
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Miesmuscheln halten sich mit Byssusfäden aneinander fest (Bild: L Coutts/ Friday Harbor Laboratories/ UW)
Muscheln müssen einiges aushalten können: in der Gezeitenzone des Meeres zerren Wellen und Strömungen mit enormer Kraft an ihnen. Verlieren sie ihren Halt, drohen sie an Felsen und Steinen zerschmettert zu werden. Damit dies nicht geschieht, befestigen sie sich mit feinen, aber extrem stabilen Fäden an ihren Nachbarn, Algen oder Felsen. Doch US-Forscher haben jetzt herausgefunden, dass diese Byssus-Fäden in wärmerem Wasser ihre Festigkeit verlieren. Der Klimawandel könnte daher für die Muscheln und damit auch für die Küsten-Ökosysteme zu einer akuten Bedrohung werden, warnen sie.

Sie sind nur drei bis zehn Mal so dick wie ein menschliches Haar, halten aber enormen Kräften stand und sind obendrein noch elastisch: Die Byssusfäden der Miesmuscheln gehören zu den stabilsten und vielseitigsten Materialien der Natur. Ein Kern aus Kollagen-ähnlichen Eiweißfasern, umhüllt von einer eng vernetzten weiteren Proteinschicht, sorgt dafür, dass die Haltefäden auch Wellen standhalten, die mit zehn Metern pro Sekunde über die Muscheln hinwegrauschen. „Für uns ist es schon schwierig, in einem Fluss mit einer Strömung von nur rund einem Meter pro Sekunde stehen zu bleiben“, erklärt Emily Carrington von der University of Washington. Die Muscheln seien dem Zehnfachen ausgesetzt.

Wärme schwächt „natürliche Bungee-Seile“

Doch die „natürlichen Bungee-Seile“, wie Carrington die Byssusfäden nennt, sind nicht immer gleich stabil, wie frühere Studien zeigten. Rasen im Spätsommer und Frühherbst Stürme über die küstennahen Muschelbänke hinweg, reißen sie mehr Muscheln los als zu anderen Jahreszeiten. An der US-Ostküste seien bei einem solchen Sturm bis zu einem Drittel der Schalentiere weggespült worden, berichtet die Forscherin. Woran das liegt, ob am Wetter, dem Fortpflanzungszyklus der Muscheln oder anderen Faktoren, haben Carrington und ihre Kollegen nun in einem Experiment untersucht. Ihre Ergebnisse präsentieren sie heute auf der Jahrestagung der American Association for the Advancement of Science (AAAS) in Boston.

Die Forscher setzten dafür Miesmuscheln in den Meerwasserbecken ihres Labors in Friday Harbor nacheinander verschiedenen möglichen Stressfaktoren aus. Sie testeten unter anderem, wie fest neu gebildete Byssusfäden bei verschiedenen Wassertemperaturen und unterschiedlichen pH-Werten waren. Das Ergebnis: In den Becken mit 25 Grad Celsius warmem Wasser waren die Muschelfäden 60 Prozent schwächer als in den Becken mit kühlen 10 bis 18 Grad. Offenbar, so schlussfolgern die Forscher, beeinflusst die höhere Wassertemperatur den Aufbau der stabilen, vernetzten Eiweiße. Das könnte erklären, warum die Fäden im Spätsommer so schwach sind, wenn das Meer in flachen Küstenbereichen von der Sonne aufgeheizt ist. „Normalerweise liegen die Wassertemperaturen an der Küste rund um unser Labor nur bei 12 bis 14 Grad, aber in flachen Buchten kann es sehr viel wärmer werden“, sagt Carrington.

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Die Ergebnisse zeigen aber auch, dass der Klimawandel und die durch ihn wärmer werdenden Meere, den Muscheln in Zukunft zumindest an bestimmten Standorten zusetzen könnten. Zu wissen, welche Temperaturen für die Schalentiere noch verträglich seien, sei daher wichtig, um ihre künftige Entwicklung abschätzen zu können, meinen die Forscher. „Muscheln stehen an der Basis des marinen Nahrungsnetzes, Bedingungen, die den Muscheln schaden, beeinträchtigen daher nicht nur kommerzielle Muschelzüchter, sondern auch Tiere wie Krebse, Hummer oder Seeanemonen, die sich von den Muscheln ernähren“, sagt Carrington. Zudem seien die Muschelbänke wichtige Lebensräume der Gezeitenzone. Gingen sie verloren, habe das Folgen für zahlreiche andere Lebewesen in diesen Küstengebieten.

Emily Carrington (University of Washington, Friday Harbor) et al.: 2013 AAAS Annual Meeting © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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