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Echt schweinisch

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Echt schweinisch
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Schweine in einer chinesischen Großanlage. Credit: Image courtesy of San'an Nie
Immer häufiger kommt es vor, dass gängige Antibiotika selbst gegen alltägliche Infektionen nicht mehr wirken. Denn die Erreger sind gegen diese bisher effektivsten Waffen der Medizin resistent geworden. Eine Quelle für diese Resistenzen und zugleich eine akute Bedrohung für die Medizin weltweit haben Forscher jetzt in China ausgemacht: Im Mist aus großen Schweinefarmen fanden sie knapp 150 bakterielle Resistenzgene in großen Mengen. Diese, so warnen sie, sind hoch mobil und machen krankmachende Keime gegen nahezu alle bekannten Antibiotika immun.

Wie rasant sich Antibiotika-Resistenzen in den letzten Jahrzehnten ausgebreitet haben, illustrieren Yong-Guan Zhu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften und seine Kollegen mit einem Beispiel, dem Bakterium Acinetobacter baumannii. Dieser Keim kann Lungenentzündungen und sogar tödliche Hirnhautentzündungen verursachen. „Innerhalb von 30 Jahren hat sich dieses Bakterium von einem leicht behandelbaren und auf Antibiotika hochgradig sensibel reagierenden Keim in einen multiresistenten Erreger gewandelt“, betonen die Forscher. Inzwischen enthält das Erbgut dieses Bakteriums bis zu 45 verschiedene Resistenzgene, die es immun gegen viele Gegenmittel machen.

Bakterien wehren sich mit Pumpen und Blockaden

Woher Acinetobacter und andere Erreger ihre Resistenzen haben, ist inzwischen relativ klar: Vor allem der extreme Einsatz von Antibiotika in der Tierzucht und Tiermast, aber auch in der Medizin, hat im Laufe der Zeit immer mehr Rückstände dieser Medikamente in die Umwelt gebracht, wie die Forscher berichten. Wenn aber Bakterien, egal ob krankmachend oder harmlos, ständig mit diesen für sie schädlichen Stoffen konfrontiert sind, entwickeln sie im Laufe der Zeit entsprechende Gegenmaßnahmen: Sie bilden Pumpen, die die Antibiotika aus ihren Zellen hinausschaffen, deaktivieren die Medikamente mittels spezieller Blockadesubstanzen oder schirmen ihre Zellen gegen ein Eindringen der Stoffe ab. Sind die Gene für diese Resistenz-Mechanismen einmal entwickelt, werden sie durch Genaustausch leicht auch an andere Bakterienarten weitergegeben. Und genau dies passiert zurzeit weltweit in alarmierenden Tempo.

Welche Rolle der in vielen Ländern noch ungehemmte Eintrag von Antibiotikaresten dafür spielt, und was solche Gene besonders mobil macht, haben die Forscher jetzt in China untersucht. „Allein im Jahr 2007 wurden hier 210 Millionen Kilogramm Antibiotika produziert und davon fast die Hälfte in der Tierproduktion eingesetzt“, erklären Zhu und seine Kollegen. Für ihre Studie fahndeten sie mit Hilfe moderner Gentechnik gezielt im Boden und Mist von drei großen Schweinmastanlagen nach Resistenzgenen gegen Antibiotika.

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149 hochmobile Resistenzgene

Mit alarmierendem Ergebnis: In den Proben fanden sich bis zu 30.000 fach erhöhte Konzentrationen von insgesamt 149 verschiedenen Resistenzgenen, wie die Wissenschaftler berichten. Diese Gene machen Bakterien immun gegen alle gängigen Antibiotikaklassen – und verhelfen ihnen zu allen drei bisher bekannten Abwehrmechanismen gegen die Medikamente. Und noch etwas fiel den Forschern auf: Obwohl den Schweinen in den einzelnen Anlagen immer nur bestimmte Antibiotika verabreicht wurden, fanden sich im Mist und Boden immer auch Abwehrgene gegen andere, dort nicht verwendete Arten. Das zeige, dass diese Gene hochmobil seien und intensiv unter den Bakterien verschiedener Gebiete ausgetauscht worden sind, konstatieren Zhu und seine Kollegen. Das Erbgut der Bakterien in den Proben enthalte besonders viele DNA-Abschnitte, die einen Transfer der Resistenzgene erleichtere.

Weitere Analysen brachten auch einen Hinweis, was diese Gene so besonders mobil gemacht haben könnte: Die Schweine in diesen Farmen hatten nicht nur Antibiotika erhalten, sondern auch Futterzusätze, die Schwermetalle wie Zink, Kupfer und Arsen enthalten. Diese Chemikalien sollen eigentlich die Mästung beschleunigen, wirken aber offensichtlich auch auf die Bakterien, mit denen sie in Berührung kommen, so die Schlussfolgerung der Forscher. Der Kontakt mit den Schwermetallen fördere wahrscheinlich die Resistenzbildung und den Transfer der Gene zusätzlich.

„Die Vielzahl und Häufigkeit der Resistenzgene, die wir in dieser Studie gefunden haben, ist alarmierend“, betonen die Forscher. Dies zeige deutlich, dass ein ungebremster Einsatz von Antibiotika und Schwermetallen bei der Schweinemast entscheidend dazu beitrage, die Gefahr durch resistente Keime zu erhöhen.

Yong-Guan Zhu (Chinesische Akademie der Wissenschaften, Peking) et al.: Proceedings of the National Academy of Sciences (PNAS), doi: 10.1073/pnas.1222743110 © wissenschaft.de – ===Nadja Podbregar
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