Wir teilen unseren Körper mit Milliarden von Mikroben: In und auf uns leben mehr Bakterien als wir Zellen haben. Allein im Dünndarm tummeln sich in jedem Milliliter Darmflüssigkeit bis zu einer Milliarde Bakterien, im Dickdarm sind es noch eine Größenordnung mehr. Diese Übermacht ist jedoch kein Grund zur Besorgnis, sondern sehr wichtig für uns. Denn vor allem unsere Darmflora spielt eine entscheidende Rolle für unsere Gesundheit, wie sich in den letzten Jahren mehr und mehr gezeigt hat. Ist die Mikrobengemeinschaft in unseren Verdauungsorganen intakt und ausreichen vielfältig, dann sorgt sie dafür, dass sich krankmachende Erreger nicht so leicht festsetzen können, sie hilft bei der Verdauung und signalisiert sogar, wenn wir satt sind.
Darüber hinaus aber kann die richtige Darmflora sogar vor Asthma und Allergien schützen, wie Studien zeigen. Und gerade unser Immunsystem wird zu einem nicht geringen Maße von der Wechselwirkung mit den Mikroben beeinflusst. Kein Wunder, dass sich Forscher momentan intensiv damit beschäftigen, was ein gesundes Mikrobiom ausmacht und wodurch seine Zusammensetzung beeinflusst wird.
Wie der Stress die Bakterienflora im Mund beeinflusst, haben nun Mason Stothart von der University of Guelph in Kanada und seine Kollegen untersucht. Sie wählten dafür jedoch nicht den Menschen als Testobjekt, sondern wildlebende Eichhörnchen. 24 davon fingen sie mit Lebendfallen im Algonquin Park in Ontario ein und nahmen Speichel- und Kotproben der Tiere, bevor sie sie wieder freiließen. Über den Kot bestimmten die Forscher, wie hoch das Niveau der Stresshormone bei den Eichhörnchen war, die im Speichel enthaltene Bakterien-DNA verriet ihnen, welche Mikroben im Mundbereich der Tiere vorhanden waren. Um auch individuelle Veränderungen bei den Eichhörnchen zu erfassen, fingen Stothart und seine Kollegen die markierten Tiere nach zwei Wochen nochmals ein und nahmen erneut Proben. So konnten sie beispielsweise beobachten, wie sich Stresshormone und Mundflora im Laufe der Zeit veränderten.
Mehr Stress – ausgedünntes Mikrobiom
Das Ergebnis: „Je mehr Stress die Eichhörnchen hatten, desto geringer war die bakterielle Artenvielfalt in ihrem Mund“, berichtet Stothart. Bei den Tieren, deren erhöhte Werte des Stresshormons eine Belastung anzeigten, fanden sich zudem vermehrt potenziell krankmachende Bakterien. Das galt auch für die Tiere, deren Stresswerte beim zweiten Fang höher waren als beim ersten. Auch bei ihnen fanden die Forscher eine verarmte Mikrobengemeinschaft und höhere Anteile von Krankheitserregern. Dass dies kein Zufall ist, lässt sich nach Angaben der Forscher durch die Reaktionen des Immunsystems auf Stress erklären: Wenn mehr Stresshormone durch den Körper kursieren, werden auch Fresszellen und Botenstoffe wie die Zytokine vermehrt ausgeschüttet. Diese wiederum wirken antibakteriell und sollen vor einem Angriff durch Erreger schützen. Dummerweise dünnen sie damit jedoch auch die schützende und harmlose Mikroflora im Mundraum der Tiere aus.
„Das ist der erste Beleg dafür, dass es eine Verbindung zwischen Stress und der Vielfalt des Mikrobioms auch in freier Natur gibt“, sagt Seniorautorin Amy Newman von der University of Guelph. „Er liefert uns einen realistischeren Einblick darin, wie Stress, Mikrobiom und Gesundheit zusammenhängen.“ Da Stress bei allen Säugetieren ähnliche Reaktionen hervorruft, könnte es diesen engen Zusammenhang nach Ansicht der Forscher auch bei uns Menschen geben. Stress könnte demnach nicht nur direkt über eine Schwächung des Immunsystems und andere Mechanismen unsere Gesundheit beeinträchtigen, er wirkt sich auch auf unser Mikrobiom aus- und damit auf einen wichtigen und nützlichen Helfer unserer Gesundheit. „Die bakterielle Vielfalt in Tieren und Menschen erweist sich mehr und mehr als essenzieller Bestandteil der Gesundheit“, betont Newman. „Und diese Studie liefert Daten, die diese Verbindung zwischen geringer Stressbelastung und einem gesunden Mikrobiom aufzeigen.“