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Warum nasse Finger und Zehen Runzeln tragen

Erde|Umwelt

Warum nasse Finger und Zehen Runzeln tragen
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Besserer Grip auf nassen Oberflächen? Bei runzligen Fingern konnten Forscher das jetzt tatsächlich nachweisen. Bild: Thinkstock
Eine halbe Stunde in der Badewanne – und schon sind Finger und Zehen von Runzeln übersät. Verantwortlich dafür ist jedoch nicht ein Aufquellen der Haut, wie lange angenommen, der Körper lässt die Fingerkuppen vielmehr absichtlich schrumpeln. Bereits vor anderthalb Jahren spekulierten Wissenschaftler über den Sinn dahinter. Ihre These: Die Runzeln wirken ähnlich wie das Profil im Autoreifen und verhindern Aquaplaning beim Greifen von nassen Gegenständen und das Laufen auf nassem Boden. Ein britisches Forscherteam hat das nun erstmals auf den Prüfstand gestellt und Probanden Murmeln aus dem Wasser fischen lassen. Resultat: Gerunzelte Haut packt tatsächlich besser – solange die Murmel nass ist.

In der Schule mussten die schrumpeligen Finger- und Zehenspitzen lange als Paradebeispiel für das Prinzip der Osmose herhalten: Innerhalb der Hautzellen sei die Konzentration an Ionen höher als im Wasser außerhalb, hieß es. Deshalb ströme, selbiges in die Zellen hinein, um dieses Konzentrationsgefälle auszugleichen. Die Folge sei aufgequollene Haut, die sich dann in die typischen Falten und Runzeln lege. Tatsächlich nimmt jedoch nicht das Volumen der Haut zu, sondern das der gesamten Fingerkuppe ab, konnten Forscher bereits in mehreren Studien zeigen. Verantwortlich dafür ist ein Zusammenziehen der feinen Blutgefäße, die die fleischigen Fingerbeeren durchziehen. Gesteuert wird dieser Prozess vom autonomen Nervensystem, das auch für Vorgänge wie das Atmen oder den Herzschlag zuständig ist.

Das gab unter anderem dem US-Neurobiologen Mark Changizi zu denken: Wenn das Schrumpeln ein aktiver Prozess ist, so seine Überlegung, dann muss er auch einen bestimmten Zweck haben – und sich zudem im Lauf der Evolution als vorteilhaft erwiesen haben. Dieser Zweck könnte der gleiche sein wie der des Profils im Autoreifen, spekulierte er: Greift man nach einem nassen Gegenstand, bildet das Wasser zwischen Fingerkuppe und Objektoberfläche normalerweise einen Film, der die Reibung verringert und damit das Festhalten erschwert. Die Runzeln wirken dagegen wie kleine Kanäle, durch die das Wasser abfließen kann, während die erhabenen Stellen einen guten Kontakt zur Oberfläche bekommen.

Nasse Murmeln für den experimentellen Beleg

Direkt geprüft hat Changizi seine These allerdings nicht. Er untersuchte lediglich die Struktur der Fingerrillen bei verschiedenen Probanden und stellte fest, dass sie alle von der Fingerspitze weg führen und unverzweigte, lange Kanälchen bilden – optimal für das Ableiten von Wasser. Dass das System wirklich wie gedacht funktioniert, haben erst jetzt die drei britischen Forscher Kyriacos Kareklar, Daniel Nettle und Tom Smulders nachgewiesen: Sie rekrutierten 20 Freiwillige und ließen diese einmal mit runzligen und einmal mit glatten Händen Objekte von einem Behälter in einen anderen legen.

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Konkret sah die Aufgabe so aus: Jeder Proband sollte 39 Glasmurmeln und 6 Angelbleigewichte nacheinander mit der rechten Hand aus einen Gefäß nehmen, sie jeweils durch eine fünf Zentimeter große Öffnung in einer Pappabtrennung an die linke Hand übergeben und sie dann in einen zweiten Behälter legen. Dabei wurde die Zeit gestoppt. In der Hälfte der Tests lagen die Gegenstände im Wasser, in der anderen Hälfte waren sie trocken. Alle Teilnehmer führten die Aufgaben durch, nachdem sie beide Hände eine halbe Stunde lang in 40 Grad warmes Wasser getaucht hatten, und wiederholten sie eine halbe Stunde später, wenn die Runzeln auf den Fingerspitzen wieder verschwunden waren.

Vorsprung für die Schrumpelfinger

Das Ergebnis: Mit schrumpeligen Fingerspitzen brauchten die Probanden im Schnitt 12 Prozent weniger Zeit, um die nassen Gegenstände zu transferieren, als mit glatten Fingerkuppen. Bei den trockenen Objekten machte es dagegen keinen Unterschied, ob die Finger Runzeln trugen oder nicht. Die Rillen verbesserten also eindeutig die Griffigkeit im Nassen, resümieren die Forscher.

Zwei Fragen können sie allerdings noch nicht beantworten. Erstens: Was ist es, das die Runzeln besser zupacken lässt? Ist es wirklich der Reifenprofil-Effekt? Oder verändern sich im Wasser eher bestimmte Eigenschaften der Haut wie ihre Flexibilität oder ihr Reibungskoeffizient? Und zweitens: Wenn man mit Schrumpelfingern besser greifen und mit runzeligen Zehen besser laufen kann, warum hat man sie dann nicht ständig? Möglicherweise sind Finger- und Zehenspitzen mit Runzeln nicht ganz so empfindsam wie glatte, spekulieren die Forscher. Alternativ bleibt man mit runzeligen Fingern und Zehen vielleicht auch einfach häufiger irgendwo hängen und erhöht damit seine Verletzungsgefahr. Was stimmt, sollen nun weitere Untersuchungen zeigen.

Kyriacos Kareklas (Newcastle University) et al.: Journal of the Royal Society: Biology Letters, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1098/rsbl.2012.0999 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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