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Doping aus dem Weinglas

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Doping aus dem Weinglas
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Doping im Geheimen? Zunächst einmal ein Genussmittel, doch wenn sich die neuen Ergebnisse bestätigen lassen, könnte sich das Gläschen in Ehren positiv auf den Testosteronspiegel auswirken. Bild: Thinkstock
Rotwein kann ja bekanntlich alles Mögliche – unter anderem wohl auch den Testosteronspiegel erhöhen. Das schließt jetzt zumindest ein britisches Forscherteam aus einer Reihe von Labortests. Das Prinzip: Bestimmte Inhaltsstoffe im Wein verhindern offenbar, dass das Hormon über den Urin ausgeschieden wird. Das sei eine sehr wichtige Erkenntnis etwa für Menschen mit Prostatakrebs, betonen die Wissenschaftler ganz brav. Tatsächlich könnte das Ergebnis jedoch vor allem für Dopingsünder interessant sein: Sollte sich der Zusammenhang in klinischen Studien bestätigen, könnten diese per Weinglas gleich zwei Doping-Fliegen mit einer Klappe schlagen – nämlich ihren Testosteronspiegel erhöhen und gleichzeitig diese Erhöhung bei Urintests kaschieren.

Declan Naughton, Chemiker an der Kingston University in London, war eigentlich durch die Wirkung entzündungshemmender Medikamente auf einen möglichen Zusammenhang zwischen Rotwein und Testosteronstoffwechsel aufmerksam geworden: „Frühere Studien hatten bereits gezeigt, dass freiverkäufliche entzündungshemmende Mittel Enzyme beeinflussen können“, erzählt er. „Und da viele dieser Wirkstoffe aus Pflanzen gewonnen werden, haben wir entschieden, einen Blick auf bestimmte Nahrungsmittel und Getränke sowie deren Einfluss auf Enzyme im Testosteronstoffwechsel zu werfen.“ Vor allem grüner Tee und Rotwein hätten sich in diesem Zusammenhang angeboten, denn beide enthielten eine große Vielfalt an biologisch aktiven Inhaltsstoffen.

Hoch die Doping-Tassen!

Bei grünem – und auch bei weißem – Tee konnten Naughton und seine Kollegen bereits im vergangenen Jahr zeigen, dass ihr Verdacht gerechtfertigt war: Einige Inhaltsstoffe darin blockieren offenbar ein Enzym namens UGT2B17, das eine Schlüsselrolle beim Ausscheiden von Testosteron aus dem Körper spielt. Es heftet an überschüssige Testosteronmoleküle kleine Marker an, die dafür sorgen, dass das Hormon über die Niere entsorgt wird. Ist es blockiert, werden weniger Moleküle für den Abtransport markiert.

Rotwein kann offenbar das gleiche, legt jetzt die neue Studie nahe. Auch darin sind Substanzen enthalten, die UGT2B17 blockieren können. Besonders hervor tut sich dabei das Polyphenol Quercetin, ein enger Verwandter des Catechins, das im grünen Tee hauptsächlich für die Blockade verantwortlich ist. Selbst bei sehr hohen Testosteronkonzentrationen verändert es die Enzymaktivität – und zwar bereits in Mengen, die man problemlos per Weinkonsum in seinem Blut anreichern kann.

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Vom Labor in die Realität?

Die Studien haben jedoch ein Manko: Die Forscher haben bisher lediglich nachweisen können, dass der Effekt im Reagenzglas auftritt. Ob er auch im menschlichen Körper vorkommt und wenn ja, ob er tatsächlich die Testosteronkonzentration im Blut verändert, können – und wollen – sie bisher nicht sagen. Erste Versuche bei Nagetieren hätten zwar darauf hingedeutet, dass durch grünen Tee oder Rotweinextrakte tatsächlich weniger Testosteron ausgeschieden werde, formuliert das Team vorsichtig. Mehr will Naughton aber nicht verraten – die Arbeit sei „in progress“, also noch nicht abgeschlossen, beziehungsweise „under submission“, also bei einem Fachjournal zur Begutachtung eingereicht.

Sollte sich der Zusammenhang jedoch auch beim Menschen finden, hätte das vermutlich zwei Konsequenzen: Zum einen würde der körpereigene Testosteronspiegel steigen, und zum anderen würde die im Urin ausgeschiedene Menge nicht mehr exakt die Konzentration des Hormons im Blut widerspiegeln. Da Testosteron wohl das klassischste aller Dopingmittel ist – es vermehrt die Muskelmasse, verbessert das Durchhaltevermögen und beschleunigt die Regeneration der Muskeln –, sollten diese beiden Aspekte Rotwein und Grüntee äußerst attraktiv für potenzielle Dopingsünder machen. Das weiß übrigens auch Naughton: Er hat die Welt-Antidoping-Agentur WADA bereits vorsorglich auf das Problem aufmerksam gemacht.

Carl Jenkinson (Kingston University, London) et al.: Nutrition Journal, Bd. 11, S. 67 © wissenschaft.de – Ilka Lehnen-Beyel
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