Zuchtwahl nach Hirngröße
Um dem Zusammenhang zwischen Hirngröße und deren möglichen Kosten gezielt nachzugehen, nutzten die Forscher den schnellen Generationswechsel von Guppys: Sie entwickelten eine Zuchtlinie mit Tieren, die besonders große Gehirne besitzen und eine weitere mit vergleichsweise kleinen Denkorganen. Bereits nach wenigen Generationen der Zuchtauswahl betrug der Unterschied im Hirnvolumen beider Linien bereits neun Prozent.
Mit den Tieren aus beiden Gruppen führten die Forscher nun spezielle Tests durch, die kognitive Fähigkeiten widerspiegeln. Guppys sind in der Lage, größere und kleinere Fischgruppen zu unterscheiden: Wenn sie die Wahl zwischen zwei Fischschwärmen haben, schwimmen sie bevorzugt zu der Gruppe, die aus mehr Exemplaren besteht als die andere. Diese kognitive Leistung untersuchten die Forscher also bei ihren groß- beziehungsweise kleinhirnigen Versuchstieren. Die Vergleiche belegten: Fische mit großem Denkorgan waren bei den zahlenmäßigen Schätzungen klar im Vorteil.
Untersuchungen des Körperbaus der Tiere offenbarten nun allerdings den Preis der Fischintelligenz: Guppys mit großem Gehirn besaßen demnach im Durchschnitt ein um 20 Prozent kleineres Verdauungssystem als die Vergleichstiere. Der damit verbundene Nachteil in der Energieausbeute spiegelte sich auch in der Zahl der Nachkommen wieder, berichten die Forscher. Die cleveren Guppys hatten etwa 19 Prozent weniger Nachwuchs als ihre Artgenossen mit schlankem Hirn und dickem Bauch. „Wir haben damit erstmals experimentell belegt, dass die Entwicklung eines großen Gehirns teuer ist und am Ende die Reproduktionsleistung schmälert“, resümiert Kolm.
Die Forscher wollen nun mit den beiden Zuchtlinien der Guppys weitere Versuche durchführen. Möglicherweise sind die Fische mit den großen Gehirnen in Umgebungen mit Feinden oder bei Ressourcenknappheit durch ihre höhere Intelligenz am Ende doch im Vorteil. Das würde die These der Forscher weiter untermauern: Das Preis-Leistungsverhältnis prägte die Evolution des Gehirns.