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Babylonische Astronomen nutzten Geometrie

Geschichte|Archäologie

Babylonische Astronomen nutzten Geometrie
16-01-28 Babylon 2.jpg
Keilschrifttafel mit Trapez-Berechnungen. Die Skizze rechts verdeutlicht die Berechnung: Die Distanz, die Jupiter in 60 Tagen zurücklegt, 10º45', wird berechnet als die Fläche der Trapez-Figur. Um die Zeit (tc) zu berechnen, in der Jupiter die Hälfte dieser Distanz zurücklegt, wird das Trapez dann in zwei kleinere Trapeze mit gleicher Fläche geteilt. (Foto und Illustration: Mathieu Ossendrijver, HU)
Über 2000 Jahre alte Keilschrifttafeln haben ein spannendes Geheimnis preisgegeben: Bereits die Sternkundler der Babylonier nutzten Methoden der Geometrie. Sie berechneten die Entfernungen, die der Planet Jupiter am Himmel zurücklegt, anhand der Fläche eines Trapezes, berichtet der Wissenschaftshistoriker Mathieu Ossendrijver von der Humboldt-Universität zu Berlin. Vergleichbare Berechnungsstrategien galten bisher als eine mathematische Entwicklung des 14. Jahrhunderts.

Bei den spektakulären Schriftzeugnissen handelt es sich um nur drei bis fünf Zentimeter große Tontafeln, die dicht mit den charakteristischen Keil-Zeichen der Babylonier versehen sind. Datierungen zufolge stammen sie aus der Zeit zwischen 350 und 50 v. Chr. Sie wurden Ende des 19. Jahrhunderts in den Überresten des alten Babylon entdeckt und gelangten schließlich in die Archive des Britischen Museums. Von vier Tafeln war bereits bekannt, dass in den Texten von geometrischen Figuren die Rede ist. Keine der Tafeln enthält zwar Zeichnungen, aber die Texte beschreiben ein Trapez, erklärt Ossendrijver. Da es aber keine Bezüge zu einem Planeten gab, blieb die Bedeutung dieser sogenannten Trapez-Texte unklar. Es war zwar bekannt, dass Geometrie grundsätzlich schon seit 1800 v. Chr. Teil der babylonischen Mathematik war, man ging aber davon aus, dass in ihrer Sternkunde nur Arithmetik zum Einsatz kam. Die Neuinterpretation der Trapez-Texte ermöglichte nun der Fund einer fünften, nahezu intakten Keilschrifttafel.

Eine fünfte Tafel löste das Rätsel

Die neue Tafel vermittelt ebenso wie die anderen Texte geometrische mathematische Beschreibungen, aber außerdem Informationen, die eindeutig dem Planeten Jupiter zugeordnet werden können. Damit ließen sich auch die bislang unerklärlichen Trapez-Texte entschlüsseln: Auf allen fünf Keilschrifttafeln wird die tägliche Positionsveränderung des Jupiters entlang seiner Bahn beschrieben, berichtet Ossendrijver. Die Maßeinheit ist dabei Grad – gemessen wird ein Zeitraum, der die ersten 60 Tage umfasst, nachdem Jupiter als Morgenstern am Himmel aufgegangen ist. “Die zentrale Erkenntnis der neuen Keilschrifttafel ist, dass Jupiters Geschwindigkeit innerhalb dieser 60 Tage linear abnimmt”, erklärt Ossendrijver.

Durch diese lineare Abnahme lässt sich eine trapezförmige Figur bilden, wenn man die Geschwindigkeit gegen die Zeit aufträgt. Es ist diese geometrische Figur, deren Fläche auf den anderen vier Tafeln berechnet wird, sagt der Wissenschaftshistoriker. Die Fläche dieser Figur vermittelt die Distanzinformationen über die Bewegungen, die Jupiter in 60 Tagen zurücklegt. Ossendrijver zufolge rechneten die Babylonier außerdem die Zeit aus, in der Jupiter die Hälfte dieser Wegstrecke zurücklegt, indem sie das Trapez in zwei kleinere Trapeze zerlegten, die jeweils eine gleichgroßen Fläche haben. „Diese Berechnungen ähneln Techniken europäischer Gelehrter – sie wurden jedoch mindestens vierzehn Jahrhunderte früher durchgeführt”, sagt Ossendrijver.

Mathematische Raffinesse der Antike

Es ist zwar bekannt, dass auch die griechischen Astronomen schon in der Zeit von 350 v. Chr. bis 150 n. Chr. geometrische Methoden einsetzten. Allerdings unterschieden sich Ossendrijver zufolge die babylonischen Trapezberechnungen von den geometrischen Strategien ihrer griechischen Fachkollegen deutlich: Die Babylonier beschreiben einen abstrakten mathematischen Raum, definiert durch Zeit auf der x-Achse und Geschwindigkeit auf der y-Achse.

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Inwieweit die Fähigkeiten der Babylonier in die Mathematik späterer Zeiten einflossen, verschwimmt im Nebel der Geschichte. Das legendäre Volk ist aber auf jedem Fall seinem geheimnisvollen Ruf erneut gerecht geworden. „Es wird klar, dass die babylonischen Astronomen zumindest gelegentlich auch geometrische Rechenmethoden anwandten”, resümiert Ossendrijver das Ergebnis seines scharfsinnigen Blicks auf die Tafeln der antiken Hochkultur.

Originalarbeit der Forscher:

© wissenschaft.de – Martin Vieweg
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