Rebeccah Slater und ihr Team untersuchten nun jedoch erstmals, wie sich das Zuckerwasser auf Schmerzreaktionen im Gehirn und im Rückenmark auswirkt. Dazu untersuchten die Wissenschaftler 59 Neugeborene, denen durch einen schmerzhaften Stich in die Ferse eine Blutprobe entnommen wurde. 29 der Kinder erhielten zwei Minuten vor der Prozedur eine Zuckerlösung, den übrigen 30 Kindern wurde sterilisiertes Wasser in den Mund geträufelt. Die Gehirnaktivität wurde dabei mit der Elektroenzephalographie (EEG) für Neugeborene erfasst, bei der die Hirnströme mit Hilfe von Elektroden am Schädel gemessen werden. Die Rückenmarksreaktion wurde mit Hilfe der Elektromyographie (EMG) gemessen, bei der Elektroden an den hinteren Oberschenkeln schon geringe Muskelzuckungen registrieren. Für die Auswertung konnten die Daten von 20 Kindern aus der Zuckerwasser-Gruppe und 24 Kindern aus der Kontrollgruppe verwendet werden.
Nach dem Schmerzreiz konnten die Forscher weder bei der Gehirnaktivität noch bei den Reflexen der Wirbelsäule einen Unterschied zwischen den beiden Gruppen beobachten. Allerdings erreichten die Babys nach der Zuckerbehandlung auf einer Skala, mit der klassischerweise die Schmerzempfindung von kleinen Kindern beurteilt wird, niedrigere Punktzahlen als die Kontrollgruppe. Das ging vor allem auf den Teil des Bewertungssystems zurück, in dem schmerztypische Gesichtsausdrücke wie das Runzeln der Stirn oder das Zusammenkneifen der Augen erfasst waren. Bei den behandelten Babys waren diese Schmerzanzeichen demnach weniger häufig und weniger ausgeprägt. Zudem gab es in dieser Gruppe mehr Kinder, die das Gesicht überhaupt nicht verzogen, wenn sie gestochen wurden, als in der Kontrollgruppe.
Möglicherweise hemmt der Zucker demnach den bei Schmerzen typischen Gesichtsausdruck, obwohl die Aktivität im Gehirn Schmerz anzeigt, schreiben die Forscher. ? Zuckerwasser scheint daher kein effektives Schmerzmittel zu sein und sollte ohne zusätzliche Untersuchungen nicht mehr routinemäßig bei schmerzhaften Maßnahmen für Babys eingesetzt werden?, betont Slater.
Robert Lasky von der University of Texas in Houston und Wim van Drongelen von der University of Chicago, die nicht an der Studie beteiligt waren, mahnen dagegen in einem Kommentar zur Vorsicht: Die Studie sei zwar ein wichtiger Beitrag zu diesem Forschungsgebiet. Allerdings könnte es sein, dass die Stichproben einfach zu klein gewesen seien, um Unterschiede in der Gehirnaktivität zwischen den Gruppen zu entdecken. Daher sollten die Effekte ihrer Auffassung nach in größer angelegten Studien genauer untersucht werden.