Doch dieses Bild muss offenbar korrigiert werden, zeigen jetzt die Beobachtungen von Henry Lee vom Howard Hughes Medical Institute in Boston und seinen Kollegen. Die Wissenschaftler hatten Bakterien im Labor mit dem Antibiotikum Norfloxacin konfrontiert und deren Überlebens- und Fortpflanzungsfähigkeit beobachtet. Zwei Dinge fielen ihnen dabei auf: Zum einen war die Dosis, die die einzelnen Bakterien tolerierten, extrem unterschiedlich ? einige starben bereits bei geringen Konzentrationen, andere überlebten problemlos auch höhere. Zum anderen war die Antibiotikumsmenge, die gebraucht wurde, um die Bakterien in der Gruppe zu töten, deutlich größer als die, die isolierte Keime umbrachte.
Weitere Tests brachten die Forscher auch auf die Ursache dieser Effekte. Offenbar entwickeln in einer Kolonie nur einzelne Bakterien eine echte Resistenz gegenüber einem Antibiotikum. Wie großzügige Wohltäter helfen diese Keime dann jedoch ihren Artgenossen, mit dem Wirkstoff fertig zu werden: Obwohl es zu Lasten ihrer eigenen Fitness geht, produzieren sie einen Botenstoff namens Indol und geben ihn in die Umgebung ab. Er wirft gleich zwei Abwehrmechanismen bei den Koloniegenossen an ? eine molekulare Pumpe, mit der das Antibiotikum aus der Zelle transportiert werden kann und ein allgemeines Verteidigungssystem gegen Stress. Auf diese Weise wird die Kolonie im Ganzen widerstandsfähiger gegen Angriffe als ihre einzelnen Mitglieder. Vor allem im Hinblick auf die stetig wachsende Anzahl resistenter Keime, denen mit keinem Antibiotikum mehr beizukommen ist, sei diese Entdeckung interessant, schreiben die Forscher: Sie zeige, dass ein Blockieren der Indolwirkung möglicherweise die Durchschlagskraft antimikrobieller Medikamente steigern kann ? und dass Bakterien sehr viel komplexere Gemeinschaften bilden als bisher angenommen.