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Gar nicht dufte

Erde|Umwelt

Gar nicht dufte
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Kattas kommunizieren mit Körpergerüchen. Hormonelle Verhütungsmittel beeinflussen diese negativ.
Die Diskussion um den Einfluss der Pille auf den Körpergeruch und somit auch auf die Partnerwahl erhält neue Nahrung: Offensichtlich verändern hormonelle Verhütungsmittel auch bei Lemuren den Duft ? und auf diese Weise auch das Sozial- und Sexualverhalten der Primaten, wie US-Forscher nun herausgefunden haben. Die Männchen zeigten ein deutlich geringeres Interesse an Weibchen, die eine sogenannte Dreimonatsspritze erhalten hatten. Der Grund dafür ist möglicherweise der deutlich veränderte Duft der Weibchen, der bei der Partnerwahl der Lemuren eine entscheidende Rolle spielt. Dies könnte auch erklären, warum die hormonelle Empfängnisverhütung bei Primaten in Zoos häufig zu aggressivem Verhalten führt: Auch den Rang eines Gruppenmitglieds erkennen die anderen Tiere am Geruch.

Beeinflussen hormonelle Verhütungsmittel wie die Pille die Partnerwahl einer Frau? Viele Wissenschaftler sind davon überzeugt. Ihre Argumentationskette: Eine bestimmte Gengruppe ? die sogenannten MHC-Gene ? spielen eine entscheidende Rolle bei der Entwicklung des individuellen Körpergeruchs. Normalerweise bevorzugen Frauen den Geruch von Männern, die ihnen genetisch möglichst wenig ähneln. Mit Pille tendieren sie hingegen zu genetisch ähnlichen Partnern. Vermutlich, weil die Pille dem Körper eine Schwangerschaft vortäuscht. Und während einer Schwangerschaft umgeben sich Frauen bevorzugt mit Verwandten, die ihnen ebenfalls ähneln und bei der Kinderaufzucht helfen können.

Nun haben Biologen drei Jahre lang 25 Lemuren der Art Katta (Lemur catta) beobachtet und untersucht, ob die Empfängnisverhütung das Verhalten oder die Attraktivität der Weibchen verändert. Während dieser Zeit bekamen einige Weibchen regelmäßig das Verhütungsmittel Medroxyprogesteronacetat gespritzt ? das gleiche Mittel, das Frauen mit der sogenannten Dreimonatsspritze verabreicht wird. Ergebnis: Die Männchen zeigten ein deutlich geringeres Interesse an den hormonbehandelten Weibchen. Eine chemische Analyse des Duftes ergab, dass die individuellen Geruchsmuster dieser Weibchen sich teils bis zur Unkenntlichkeit verändert hatten. Lemuren teilen ihren Artgenossen über den Körpergeruch nicht nur ihren Fruchtbarkeitsstatus, sondern auch zahlreiche weitere Informationen mit, beispielsweise über ihre Identität, Misch- oder Reinerbigkeit und die soziale Verbundenheit zu anderen Gruppenmitgliedern.

Die nun festgestellten Veränderungen könnten die Wahl des Sexualpartners negativ beeinflussen, schreiben die Biologen. Bei den Primaten ergaben sich nicht nur Probleme bei der Partnerwahl, sondern auch im Sozialverhalten: „Wenn die Tiere nun feststellen wollen, wer zu ihrer Familie gehört, riecht die Schwester plötzlich nicht mehr wie ihr Bruder“, erklärt Studienautorin Drea. Dieser „falsche“ Duft könne auch das gesteigerte Aggressionspotenzial unter anderen Primaten erklären, das bereits häufig im Zusammenhang mit hormonellen Verhütungsmitteln beobachtet worden war. Die Biologen vermuten nun, dass die Tiere wegen des veränderten Duftes Hierarchien innerhalb der Gruppe nicht mehr erkennen können und es deshalb zum Streit kommt.

Christine Drea (Duke University, Durham, USA) et al.: Proceedings of the Royal Society: Biological Sciences, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1098/rspb.2010.1203 ddp/wissenschaft.de ? David Köndgen
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