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Programmiertes Vergessen

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Programmiertes Vergessen
Die Alzheimersche Krankheit könnte bereits angeboren sein: Wissenschaftler von der Universität Leipzig haben Hinweise darauf gefunden, dass es sich bei der bislang noch unheilbaren Demenzerkrankung um eine Hirnentwicklungsstörung handelt. Bisher hatten Wissenschaftler angenommen, dass die fortschreitende Zerstörung des Gehirns auf eine übermäßige Ablagerung von Eiweißklumpen, die sogenannten Plaques, und den dadurch ausgelösten Tod der Nervenzellen zurückgeht.

Die Hirnforscher um Thomas Arendt hatten Proben aus Hirnen von Menschen untersucht, die an Alzheimer in unterschiedlichen Stadien litten. Dabei fiel ihnen eine Besonderheit auf: Im Gehirn der Erkrankten waren überdurchschnittlich häufig Hirnzellen zu finden, die mehr als die üblichen zwei Kopien der Erbsubstanz DNA enthielten. “Manche tragen vier, andere sogar sechs Chromosomenpaare”, sagt Studienleiter Arendt. Solche Zellen werden hyperploid genannt und kommen in verschiedenen Kombinationen vor – auch im gesunden Gehirn. “Im Gehirn von Alzheimer-Patienten stellen wir aber eine doppelt so hohe Anzahl fest. Es scheint eine Toleranzgrenze durchbrochen zu sein”, berichtet Arendt.

Interessanterweise findet sich die Häufung der anomalen Zellen sich bereits in einem Stadium, in dem den Betroffenen noch nichts anzumerken ist. Im Lauf der Erkrankung scheinen dann bevorzugt die ungewöhnlichen Zellen abzusterben, so dass in den Endstadien nur noch wenige nachweisbar sind. “Wir sind daher relativ sicher, dass diese übergroße Gruppe an hyperploiden Zellen schon während der Gehirnentwicklung des Kindes entsteht”, sagt Arendt. Da sie jedoch weniger robust und anfälliger für Schäden seien, sterben sie mit der Zeit ab – mit der Konsequenz, dass das Gehirn seine normale Funktion nicht mehr aufrechterhalten kann.

Sollte sich bestätigen, dass das Zuviel an Chromosomen tatsächlich der entscheidende Auslöser für den Zelluntergang und damit die Krankheit ist, stehen die Forscher allerdings vor einem Problem: Hyperploidie ist irreversibel, das heißt, es ist nicht möglich, die betroffenen Zellen in den Normalzustand zu versetzen. Die hyperploiden Zellen stürben auf jeden Fall ab, sagt der Forscher. Es eröffne jedoch die Möglichkeit, schon früh vorherzusagen, wer mit einer hohen Wahrscheinlichkeit an Alzheimer erkranken wird – vorausgesetzt, es stünde eine Methode zur Verfügung, mit der man ins Gehirn hineinschauen könne.

Die jetzt vorliegenden Erkenntnisse werfen zudem eine ganze Reihe weitere Fragen auf: Warum ist eine hyperploide Zelle so anfällig für den Zelltod? Ist diese Fehlentwicklung auch in anderen Organen als dem Gehirn nachweisbar? Gibt es unter Umständen schädliche Einflüsse auf Mutter und Kind in der Schwangerschaft, die zu einer solchen Entwicklungsstörung des Hirns führen? Schnelle Antworten darauf wird es allerdings aus Sicht von Arendts nicht geben.

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Thomas Arendt (Universität Leipzig) et al.: American Journal of Pathology , Online-Vorabveröffentlichung, doi:10.2353/ajpath.2010.090955 ddp/wissenschaft.de
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