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Innerer Antrieb

Erde|Umwelt

Innerer Antrieb
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Die Raupe des Tabakschwärmers bewegt beim Kriechen zuerst ihren Magen, die Körperwände folgen erst später.
Wenn Raupen kriechen, bewegen sich Magen und Körper unabhängig voneinander. Das haben US-Forscher bei Röntgenaufnahmen von Insektenlarven entdeckt. Die Biologen sahen plötzlich „merkwürdige Bewegungen“, die bislang völlig unbekannt waren: Der Magen und damit der Schwerpunkt des Körpers verlagerte sich deutlich früher nach vorne als die äußeren Körperwände. Zwar gibt es bereits Beobachtungen von Organen, die sich im Innern des Körpers bewegen: So rutschen etwa die Nieren von galoppierenden Pferden als Resultat der Trägheit vor und zurück. Bei den Raupen hingegen finden die beiden Bewegungen weitgehend unabhängig voneinander statt. Mit der neuen Antriebstechnik soll nun ein Roboter entwickelt werden, der sich besonders gut durch Engstellen quetscht.

Das Innere der Raupen gleicht einem Schlauch, der von Muskeln umgeben ist und die Verdauungsorgane enthält. Dieser Innenraum wird auch als Zölom bezeichnet. Im Gegensatz zu Würmern sind die einzelnen Segmente bei der Raupe nicht durch Wände abgetrennt. Resultat: Magen und Darmkanal können sich ungehindert hin und her bewegen. Um den zeitlichen Verlauf einzelner Körperbewegungen zu untersuchen, stellten die Biologen um Michael Simon von der Tufts University in Medford Röntgenaufnahmen und Videos von den Kriechzyklen der Larve des Tabakschwärmers (Manduca sexta) her.

Das Ergebnis verblüffte die Wissenschaftler: Zunächst machten die Hinterfüße einen Schritt ? und noch bevor der Rest des Körpers sich in Bewegung setzte, rutschte zunächst der Magen nach vorne. Innerhalb des vier Sekunden dauernden Zyklus betrug die Verzögerung zwischen Magen- und Körperwandbewegung eine Sekunde. Weil der Magen offensichtlich vom Rest des Körpers entkoppelt ist, bezeichnen die Wissenschaftler das Kriechen der Raupe nun als „Zwei-Körper-System bestehend aus Container und Inhalt“. Eine derartige Fortbewegungsart sei einmalig und trete vermutlich ausschließlich bei Weichtieren auf. Welchen Vorteil das genau hat, können die Forscher nur vermuten: Womöglich sei es ähnlich wie beim Mitschwingen der Arme beim Joggen, das den Kraftaufwand deutlich reduziert. Dementsprechend könnte ein sich frei bewegender Magen das Kriechen vereinfachen und insgesamt die Bewegungsfreiheit der Raupe erweitern. Auf jeden Fall aber leistet der Magen einen entscheidenden Beitrag zur Fortbewegung.

Die Wissenschaftler gehen davon aus, dass sich eine ähnliche Art der Fortbewegung auch bei anderen Raupen und weiteren Weichtieren mit einem offenen Zölom findet, wie beispielsweise Blutegeln oder Ringelwürmern. Ingenieure haben die Entdeckungen nun für eine technische Entwicklung aufgegriffen: Sie versuchen einen Roboter aus extrem beweglichen Materialien anzufertigen. Dieser sogenannte Softbot könne etwa bei Rettungsaktionen, in medizinischen Anwendungen oder sogar im Weltall eingesetzt werden, schreiben die Wissenschaftler.

Michael Simon (Tufts University, Medford, USA) et al.: Current Biology, Online-Vorabveröffentlichung, doi: 10.1016/j.cub.2010.06.059 ddp/wissenschaft.de ? David Köndgen
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