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Beutesuche im Mikrokosmos

Erde|Umwelt

Beutesuche im Mikrokosmos
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Das Mikrozooplankton Oxyrrhis marina (blau) bewegt sich sofort in die Strömung mit dem von Algen stammenden Dimethylsulfidpropionat (gelbes Band): Das Molekül verheißt Nahrung. Foto: Seymour/Simó/Stocker
Mikroorganismen treiben für ihre Nahrungsaufnahme im Meer nicht einfach so vor sich hin: Sie bewegen sich gezielt zur Quelle einer Schwefelverbindung, die von einer aufgeplatzten Alge stammt. Das hat ein internationales Forscherteam mit spezieller Mikroskoptechnik in einem Meerwassertropfen gefilmt. Einige der Meeresmikroben fressen das Molekül der Alge, anderen dient es nur als Signal für eine mögliche Beute. Das Geschehen im Mikrokosmos hat Auswirkungen auf die Atmosphäre: Der Lockstoff wird nämlich von Bakterien in Dimethylsulfid umgewandelt. Und das dient wiederum als Kondensationskeim für die Wolkenbildung in der Atmosphäre.

Beobachtet haben die Wissenschaftler um Justin Seymour von der University of Technology in Sidney die Mikroorganismen in einem Miniaturlabor: Die Mikroben wurden in einem fingergroßen Plättchen eingesperrt, dessen winziger Mikrokanal mit Meerwasser gefüllt war. Die gesamte Flüssigkeitsmenge entsprach dabei einem normalen Wassertropsen. Anschließend wurde in die Flüssigkeitsbahn ein winziger Strom mit der Schwefelverbindung Dimethylsulfidpropionat (DMSP) injiziert. DMSP signalisiert den Mikroben, dass eine Algenzelle nach einer Vireninfektion aufgeplatzt ist. Ein typisches Ereignis in den Weltmeeren, denn die Algen bilden das in unvorstellbaren Mengen auftretende Phytoplankton. Es ist die Basis vieler marinen Nahrungsketten, die bis zu den Walen reichen. Durch eine spezielle Mikroskopkamera konnte nun erstmals das Verhalten der Mikroorganismen im Bild festgehalten werden.

Einige der marinen Mikroben, darunter auch Bakterien, paddelten in Richtung der Schwefelverbindung, weil sie sich von DMSP ernähren. Andere reagierten auf die Chemikalie als ein Signal, dass eine angegriffene Alge als Beute zu finden ist. Widerlegen konnten die Forscher damit eine bislang gängige Theorie: „Wir können klar zeigen, dass DMSP die Mikroben zur Beute hinlockt und nicht als Abwehrstoff gegen die Jäger verwendet wird“, erklärt Co-Studienautor Rafel Simó, Biologe am Institut de Ciències del Mar in Barcelona.

Die nun nachgewiesene aktive Bewegung der Mikroben in Richtung der DMSP-Moleküle zeigt, wie die winzigen Organismen Einfluss nehmen auf das Klima. Während einige Mikroorganismen DMSP konsumieren, wandeln andere das Molekül in das klimakühlende Gas Dimethylsulfid um: Das Gas fördert die Wolkenbildung und hat damit Wirkung auf die Wärmebalance der Atmosphäre. „Das Verhalten von Mikroben auf winzig kleinem Raum gestaltet also die Nahrungsnetze des Phytoplanktons und beeinflusst so das Klima auf globaler Ebene“, schreiben die Wissenschaftler.

Der Geruch von Dimethylsulfid ist allgemein bekannt: Es verleiht dem Meer seine typische Duftnote und ist auch die Ursache des Mundgeruchs beim Menschen, wo die Schwefelverbindung im Mund durch Bakterien produziert wird. Mit einem ausgeprägten Geruchssinn für Dimethylsulfid finden auch einige Seevögel und Seehunde ihre Beute.

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Justin Seymour (University of Technology, Sidney) et al.: Science, doi: 10.1126/science.1188418 ddp/wissenschaft.de ? Rochus Rademacher
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