US-Forscher haben eine wichtige Waffe des Körpers im Kampf gegen eine HIV-Infektion entdeckt: Sie identifizierten zwei verschiedene Antikörper aus dem Blut eines Infizierten, die das Eindringen des HI-Virus in die Wirtszelle verhindern können. Zudem konnten die Forscher die Wirkungsweise der Abwehrproteine aufklären. Die neuen Erkenntnisse, die in zwei Studien unter der Führung der National Institutes of Health in Bethesda gewonnen wurden, sollen zum einen bei der immer noch stockenden Entwicklung eines Impfstoffes gegen HIV helfen. Zum anderen könnte eine ganze Reihe anderer Infektionskrankheiten gezielt mit ähnlich wirkenden Antikörpern behandelt werden.
Das HI-Virus ist ein cleverer Gegenspieler des Immunsystems: Der Erreger wechselt fortwährend seine Gestalt, indem er die Eiweiße auf seiner Oberfläche verändert. Auf diese Weise entgeht das Virus immer wieder der Immunabwehr. Diese Eigenschaft macht es schwer, einen geeigneten Impfstoff zu finden ? weltweit existiert eine enorme Anzahl von verschiedenen Varianten des Krankheitserregers. Trotzdem gibt es einige wenige Stellen auf der Virusoberfläche, die sich bei allen bekannten HIV-Stämmen nur wenig unterscheiden. Einer dieser wunden Punkte des HI-Virus ist die sogenannte CD4-Bindungsstelle. Mit Hilfe dieser Proteinstruktur auf seiner Oberfläche heftet sich der Erreger an sein bevorzugtes Opfer an ? die Zellen des Immunsystems. Nach erfolgreichem Andocken kann das Virus ungehindert in die Zelle eindringen und die Kontrolle über die Zellmaschinerie übernehmen.
Die vom Team um Xueling Vu identifizierten Antikörper stammen aus dem Blut eines HIV-Infizierten, dessen Körper die Krankheit seit Jahren ohne Behandlung in Schach hält. Die Abwehrproteine machen sich dazu offenbar den Schwachpunkt des Erregers zunutze: Sie blockieren die CD4-Bindungsstelle und machen so das Virus unschädlich. Den enormen Erfolg der Antikörper, die zumindest im Labor gegen 91 Prozent der weltweit bekannten HIV-Stämme wirksam sind, erklären die Wissenschaftler damit, dass die Struktur der CD4-Bindungsstelle bei allen Erregervarianten nahezu unverändert ist.
Zukünftig könnten die neu entdeckten Antikörper im Kampf gegen die HIV-Pandemie eingesetzt werden, wie die Wissenschaftler um Tongqing Zhou in der zweiten Studie berichten. Das Team untersuchte die molekulare Struktur eines der Antikörper und konnte klären, auf welche Weise das Protein die Virusaktivität blockiert. Zudem konnten sie den genauen Ort des Zusammenspiels beider Kontrahenten auf der Virusoberfläche lokalisieren. Mit Hilfe dieser Erkenntnisse wäre es nach Ansicht der Forscher möglich, einen Impfstoff zu entwickeln, der einen Großteil der HIV-Neuinfektionen verhindert. Die Arbeiten zur Entwicklung eines Impfstoffs, der das Immunsystem zur Produktion der Antikörper in großem Stil anregen könnte, haben bereits begonnen.
Xueling Wu (National Institutes of Health, Bethesda) et al. und Tongqing Zhou (National Institutes of Health, Bethesda) et al.: Science, Online Veröffentlichungen, doi: 10.1126/science.1187659 und 10.1126/science.1192819 ddp/wissenschaft.de ? Gwydion Brennan