In ihrer Studie untersuchten die Wissenschaftler das eigentlich harmlose Bakterium Streptococcus pneumoniae. Der Keim bewohnt die Schleimhaut der Nase und verhält sich ruhig: In vielen Ländern sind zwei von fünf Menschen Träger des Bakteriums, ohne es zu wissen. Doch wenn ein anderer Keim die Bühne betritt, kommt es zwischen den beiden zu einem Kampf um den begehrten Standort. In diesem konkreten Fall haben die Wissenschaftler Haemophilus influenzae als Gegner ausgesucht, denn dieser Krankheitserreger hat ein besonderes Ass im Ärmel: Um seinen unliebsamen Konkurrenten loszuwerden, ruft er das Immunsystem des Wirts zu Hilfe. Dieses rekrutiert eine Gruppe von Abwehrzellen, sogenannte Neutrophile, die Streptococcus pneumoniae umzingeln und angreifen. Doch auch der Hausherr verteidigt sich effektiv: Das Bakterium versteckt sich unter einer Hülle aus Zucker, die als Schutzschild gegen die Angriffe des Immunsystems dient. Doch dieser Schutzmechanismus hat einen fatalen Nebeneffekt. Mit der Hülle kann der Keim nun unbemerkt vom Immunsystem in den Blutkreislauf eindringen und schwere Erkrankungen hervorrufen wie Lungenentzündung, Meningitis oder Blutvergiftung.
Somit bewegt sich Streptococcus pneumoniae auf einem schmalen Grat. Das Bakterium investiert viel Energie in seine Rüstung, denn nur so kann es den Hilfstruppen seines Konkurrenten entkommen. Auf der anderen Seite kann der Körper seines Wirts die neue Bedrohung oft nicht bewältigen und beide könnten dafür mit dem Tod bezahlen. „Unsere Studie demonstriert an einem Beispiel das komplexe Zusammenspiel zwischen den zahlreichen Mikrobenarten, die unseren Körper bewohnen“, erklärt Weiser. „Der zunehmende Gebrauch von Antibiotika und Impfstoffen beeinflusst diese Beziehung in hohem Maße und kann ausschlaggebend dafür sein, welches Bakterium gewinnt.“ Die Wissenschaftler sind der Ansicht, dass diese Wechselbeziehungen zwischen den Mikroorganismen bei der Entwicklung von Therapien und Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten berücksichtigt werden müssen.