Spinnen und fleischfressende Pflanzen machen sich Insekten als Nahrungsquelle streitig. Wie ein US-Forscherteam berichtet, stehen die beiden sonst so grundverschiedenen Lebewesen im direkten Konkurrenzkampf um ihre Beute: Wird ein bestimmter Standort schon vom Sonnentau der Art Drosera capillaris besetzt, webt die Wolfsspinne Sosippus floridanus ihr Netz in einiger Entfernung und baut es größer als sonst üblich ? für eine maximale Nahrungsausbeute. Umgekehrt leiden die fleischfressenden Pflanzen durch die direkte Nachbarschaft der Spinnen: Sie bilden weniger Blüten und Samen, berichten Jason Rohr von der University of South Florida in Tampa und seine Kollegen.
Der Kampf um begrenzte Ressourcen ist fundamentaler Bestandteil eines jeden Ökosystems. Überschneiden sich die Speisepläne zweier Tierarten und gibt es nicht genug Nahrung für beide, kommt es zum Konkurrenzkampf. Bisher fokussierten sich die Zoologen bei der Erforschung des Phänomens auf Auseinandersetzungen zwischen verwandten Arten. Einen Konflikt größeren Ausmaßes beschreiben nun die Wissenschaftler um Rohr: In Feldversuchen analysierten sie die Nahrungsgewohnheiten von Sonnentaugewächsen und Wolfsspinnen. Beide Arten sind räuberische Fleischfresser, auf deren Speiseplan Insekten sowie andere Kleinstlebewesen stehen. Auch benutzen sie beide einen passiven Mechanismus, um sich ihre Nahrung zu sichern: Die Beute des Sonnentaus bleibt an klebrigen Schleimhärchen auf den Blättern hängen und die Wolfsspinne fängt Insekten mit Hilfe ihres trichterförmigen Netzes. Darüber hinaus wird der untersuchte Sonnentau Drosera capillaris nicht höher als zwei Zentimeter ? dieselbe Höhe, in der das Netz der Wolfsspinne hängt. Bei derart vielen Gemeinsamkeiten der Nahrungsgewohnheiten sei ein Konflikt unausweichlich, schreiben die Wissenschaftler.
Der Sonnentau scheint der Konkurrenz prinzipiell wehrlos ausgeliefert zu sein. Beweise dafür, dass kleinere Wolfsspinnen den sesshaften Pflanzen zum Opfer gefallen sind, konnten die Wissenschaftler jedenfalls nicht entdecken. Die Wolfsspinne zeigt in der Auseinandersetzung allerdings auch diplomatisches Feingefühl: Um den Konflikt zu entschärfen, errichtet sie ihr Netz in einiger Entfernung zu größeren Gruppen von Sonnentaugewächsen. Da sie dann aber deutlich größere Netze baut als normalerweise und die Orte für den Netzbau besonders sorgfältig auswählt, entgehen den Pflanzen dennoch mehr Insekten als sonst und damit wichtige Nährstoffe, wie die Forscher in Laborversuchen feststellten. Als Folge davon waren die Sonnentaugewächse in ihrer Blüte eingeschränkt und produzierten weniger Samen ? ein Indiz für nachlassende Fitness. Für Rohr und seine Kollegen steht fest: Dies ist der erste Beweis für einen Konkurrenzkampf zwischen Arten aus dem Tier- und Pflanzenreich. Jedoch seien weitere Forschungsarbeiten nötig, um weitere Facetten dieser Interaktion zu beleuchten. So sei beispielsweise auch zu untersuchen, ob die Interaktion beider Arten auch negative Konsequenzen für die Fitness der Spinne habe.
Jason Rohr (University of South Florida, Tampa) et al.: Proceedings of the Royal Society B: Biological Sciences, doi:10.1098/rspb.2010.0465 ddp/wissenschaft.de ? Gwydion Brennan