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Überfischung mit Tradition

Erde|Umwelt

Überfischung mit Tradition
Für einen kommerziellen Fischer ist es heute 17-mal schwieriger, vor den Küsten von England oder Wales den gleichen Fang zu erzielen wie im Jahr 1889. Das haben englische Wissenschaftler um Callum Roberts von der University of York bei der Auswertung von Fangdaten herausgefunden, bei der auch die technische Entwicklung der Fischerei berücksichtigt wurde. Der Grund liegt in der dramatischen Abnahme der Fischbestände, die selbst pessimistische Schätzungen bei weitem übertreffen: Die Bestände von bei Verbrauchern beliebten Fischarten wie Kabeljau, Schellfisch oder Scholle sind um durchschnittlich 94 Prozent gesunken. Die von kommerzieller Fischerei verursachten Schäden an den marinen Ökosystemen haben über einen weitaus längeren Zeitraum stattgefunden als bisher angenommen.

Die Entwicklung der Dampfschifffahrt in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts markierte eine Wende in der Geschichte der kommerziellen Fischerei: Bis zu diesem Zeitpunkt wurde mit Segelbooten und in Hafennähe gefischt. Mit Dampfmaschinen betriebene Trawler konnten weiter von der Küste entfernte Fischgründe erschließen, über längere Zeit auf offener See bleiben und aufgrund modernerer Technik in größeren Tiefen fischen. Schon 1885 untersuchte die britische Regierung, ob es einen Zusammenhang zwischen der immer schneller expandierenden Grundschleppnetzfischerei und der Reduzierung von Fischbeständen sowie der Zerstörung mariner Lebensräume gibt. Da jedoch Statistiken aus früheren Jahren völlig fehlten, begannen die Behörden ab diesem Zeitpunkt, Daten zu den Fangausbeuten von allen größeren Häfen in England und Wales zu sammeln.

Die Wissenschaftler um Roberts brachten diese lange vernachlässigten Daten jetzt ans Tageslicht und veröffentlichten eine Aufstellung der Fangmengen in britischen Gewässern von 1889 bis 2007. Mit erschreckenden Ergebnissen: Die Forscher gehen von einem Verlust an Biomasse aus, der im Durchschnitt bei den Fischarten bei 94 Prozent liegt. Der besonders beliebte Kabeljau ist in seinem Bestand um 87 Prozent zurückgegangen. Die Werte beschreiben nach Ansicht der Wissenschaftler aber nicht nur den Verlust einer einzelnen Art, sondern den eines kompletten marinen Ökosystems.

Obwohl unter der Ägide der Fischereipolitik der Europäischen Union die Fischbestände stetig zurückgegangen sind, machen die Wissenschaftler nicht die Politik für den Kollaps verantwortlich. Vielmehr begann der Rückgang bereits mit der modernen Fischerei: Mehr als ein Jahrhundert der intensiven Grundschleppnetz-Fischerei hat auf dem Meeresgrund lebende Fische wie den Heilbutt, den Steinbutt, den Schellfisch und die Scholle in den britischen Gewässern fast vollständig ausgerottet. Da viele Fischereigründe innerhalb der EU aufgeteilt werden, seien diese Daten auf die gesamte europäische Fischindustrie übertragbar.

2009 wurde von der Kommission der Gemeinsamen Fischereipolitik eine Debatte initiiert, wie die Fischerei innerhalb der EU in Zukunft geregelt werden soll. Für Studien-Co-Autor Simon Brockington von der Marine Conservation Society ist es unabdingbar, dass die Regierungen begreifen, wie tiefgehend die Veränderungen der Lebensräume im Meer mittlerweile fortgeschritten seien. Die Studie sei eine Möglichkeit, die aktuellen Initiativen zum Erhalt der Meere den neuen Erkenntnissen zu den Fischbeständen anzupassen.

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Callum Roberts (University of York, Heslington) et al.: Nature Communications, doi 10.1038/ncomms1013 ddp/wissenschaft.de ? Gwydion Brennan
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