Posttraumatische Belastungsstörungen (PTSD), die häufig nach einer Begegnung mit extremer Gewalt auftreten, haben offenbar auch körperliche Folgen: Sie scheinen das Immunsystem der Betroffenen zu beeinträchtigen, indem sie die Aktivität verschiedener Schlüsselgene verändern. Das schließt ein amerikanisch-deutsches Forscherteam aus einem Vergleich der Genaktivität von 23 PTSD-Patienten mit der von 77 Gesunden. Das traumatische Erlebnis, das die Krankheit auslöst, greift demnach ? vermutlich über veränderte Stresshormonspiegel ? direkt in die komplexe Regelmaschinerie ein, mit deren Hilfe Gene ein- und ausgeschaltet werden, erklären die Forscher. Sie hoffen, mit Hilfe eines besseren Verständnisses dieser Wechselwirkungen auch neue Ansätze zu finden, um die Erkrankung zu behandeln.
Eine PTSD tritt meist bei Opfern von Gewalt- oder Kriegsverbrechen, aber auch bei Zeugen von lebensbedrohlichen Ereignissen, schweren Verletzungen oder Todesfällen auf. Die Symptome können vielfältig sein. So erleben die meisten Betroffenen das Trauma immer wieder von neuem, entwickeln Schlafstörungen und einen Zustand der emotionalen Taubheit, nicht selten gekoppelt mit einer extremen Schreckhaftigkeit und der Neigung, Situationen aus dem Weg zu gehen, die an das Erlebte erinnern könnten. Sie leiden zudem häufig unter Angststörungen inklusive der verschiedensten psychosomatischen Symptome, wie Herzrasen, Ohnmachtsanfällen, Atemnot und Übelkeit.
Schon früher gab es zudem Hinweise darauf, dass das Immunsystem von PTSD-Patienten nicht normal reagiert. Das konnten Uddin und ihre Kollegen in ihrer Studiengruppe jetzt bestätigen: Sie entdeckten, dass im Blut der PTSD-Patienten überdurchschnittlich viele Antikörper gegen ein an sich harmloses Herpes-Virus zu finden waren ? ein Befund, der typischerweise mit einer Störung im Immunsystem einhergeht. Die Ursache dafür scheint eine veränderte Regulation der für das Immunsystem zuständigen Gene zu sein, zeigten weitere Tests, in denen die Forscher 14.000 verschiedene Gene unter die Lupe nahmen. Ergebnis: Im Erbgut der Betroffenen waren bestimmte Schaltermoleküle, chemisch: Methylgruppen, anders verteilt als bei der gesunden Vergleichsgruppe.
Besonders auffällig waren diese Unterschiede bei Genen, die Teile der Körperabwehr steuern sowie bei Genen, die direkt für die Immunreaktion verantwortlich sind. Derartige epigenetische Veränderungen können im Lauf des Lebens erworben werden, erläutern die Forscher ? in diesem Fall vermutlich durch das traumatische Erlebnis, das immer wieder die Stresshormonlevel ansteigen lässt und damit möglicherweise auf Dauer die Genaktivität beeinflusst. Anhand der vorliegenden Daten sei allerdings nicht ganz auszuschließen, dass die Veränderungen nicht die Folge der PTSD sind, sondern schon vorher vorhanden waren und den Träger erst anfällig für die Krankheit machen. Weitere Tests sollen jetzt helfen, diese Möglichkeit auszuschließen.
Monica Uddin (University of Michigan in Ann Arbor) et al.: „PNAS“ (doi: 10.1073/pnas.0910794107) ddp/wissenschaft.de ? Ilka Lehnen-Beyel