Hügel: Zunächst war es ein Wettlauf unter den Forschern: Albert Einstein hat um 1917 die physikalischen Grundlagen gelegt. Physiker wollen dann so einen Verstärker elektromagnetischer Wellen bauen. Das gelang mit dem Maser zuerst bei den Mikrowellen. Wollte man höhere Datenmengen transportieren, musste man zu optischen Wellenlängen. Maiman bezeichnete sein Gerät daher auch als optischen Maser. Schon gleich nach der Demonstration des ersten Lasers fingen bei Siemens und Carl Zeiss Forscher mit eigenen Laserentwicklungen an.
Wie kam es zu den ersten Anwendungen?
Graf: Das war ein evolutionärer Prozess. Der Laser eroberte sich Stück für Stück neues Terrain. Etwa in der Schweizer Uhrenindustrie. Die lagerte zunächst Teile der Produktion nach Italien aus, holte sie aus strategischen Gründen aber wieder zurück, um wichtige filigrane Bauteile mit dem Laser zu bohren.
Hügel: Anfangs gab es noch keine Messgeräte für die Laserleistung. Die Forscher maßen die Leistung mit Rasierklingen. Drei Gillette bedeutete, dass der Laserpuls drei Rasierklingen durchschlug. Die Anwendung des Lasers als Fertigungswerkzeug zum Schneiden und Schweißen war da schon angelegt. Schon relativ früh hat man mit dem Laser Textilien, Leder, Papier geschnitten. Doch jetzt kommt ein entscheidender Punkt, der für das Schneiden von Metallen bedeutsam war: Vormittags hat der Laser noch funktioniert, nachmittags nicht mehr. Und man konnte sich überhaupt nicht erklären, woran das lag. Bis ein dänischer Kollege das grundlegend geklärt hat. Für mich war das ein kleiner Meilenstein bei den Laseranwendungen.
Was machen Laser heute?
Graf: Sie sind überall zu finden. Ganz wichtig ist die Nachrichtentechnik. Über 90 Prozent unserer Informationen schicken Laser über Glasfaser auf die Reise. Der Laser korrigiert die Fehlsichtigkeit des Auges. Er steckt in jedem CD- oder DVD-Player. Bei den Fertigungsverfahren ist der Laser besonders interessant. Er kann alles: urformen, umformen, trennen, fügen, härten und beschichten. Irgendwie sind Laser fast überall involviert. Nur steht es nirgends drauf: Die Türbeschläge sind lasergeschnitten, die Spritzenkanülen beim Arzt lasergeschweißt.
Hügel: In der Medizin hilft der Laser in der Diagnostik. Auch in der Energietechnik spielt der Laser eine Rolle: Es gibt Experimente, um mit den Stoßwellen von Laserpulsen Atomkerne zur Fusion zu bringen ? eine potenzielle Energiequelle der Zukunft.
Wo geht die Reise mit den Lasern hin? Ist die Technik nach 50 Jahren Entwicklungszeit ausgereizt?
Hügel: Besonders spannend finde ich die Energieübertragung. Nicht die vom Laser auf das Werkstück, um es etwa zu schweißen, sondern vom Weltraum auf die Erde. Erste Ideen gab es da schon in den 1970er Jahren. Doch ich finde sie immer noch faszinierend: Die Sonnenenergie wird im Erdorbit durch Solarsegel eingefangen und über Laser herunter gestrahlt.
Graf: Das Ende der Fahnenstange beim Laser ist noch nicht erreicht. Bislang bearbeiten wir damit Metalle, gegebenenfalls Keramiken. Nun kommen wir zu den Verbundwerkstoffen. Die benötigen ganz neue Ideen zur Laserbearbeitung.
Was ist daran besonders? Schneidet der Laser nicht überall glatt durch?
Graf: Das Material von Faserverbundwerkstoffen ist sehr inhomogen. Die verschiedenen Bestandteile der Verbundwerkstoffe haben beispielsweise unterschiedliche Wärmeleitfähigkeiten und Schmelztemperaturen. Da kommt es darauf an, was man mit dem Laser gerade trifft. Die Prozesse sind ganz anders zu fahren als bisher. Bei Metallen schneidet man mit einem kontinuierlichen Laser einfach durch. Das geht bei Verbundwerkstoffen nicht. Sie brauchen Laser mit sehr kurzen Pulsdauern.
Das MP3-Audioformat wird gern als Beispiel genommen, um deutsche Forscher und Entwickler als lahm und wenig visionär zu charakterisieren. MP3 wurde hierzulande erfunden, im Ausland aber gewinnbringend genutzt. Beim Laser war es gerade anders herum.
Graf: In der Fertigungstechnik hat man gerade in Südwestdeutschland aus dem physikalischen Gerät ?Laser? eine Maschine gemacht. Die Weltmarktführer sitzen hier.
Hügel: In Deutschland gibt es traditionell eine große Nähe zwischen Ingenieurwissenschaften und der Forschung. Entscheidend war, dass in der frühen 1980er Jahren die deutschen Unternehmen das Potenzial des Lasers erkannt haben. Die Bundesländer haben mit Laserzentren und -forschungsinstituten reagiert. Wissenschaft, Wirtschaft und Forschungsförderung durch die Politik haben an einem Strang gezogen. Ohne diesen Dreiklang zu Beginn stünden wir heute bei den Laseranwendungen nicht an der Spitze.